|
Die Verwandlung
Franz Kafka
|
* * * * * * *
The Kafka project
Herling-Grudzinski: O Kafce
Hertzberg: Metamorfoza w Pradze
...Lost
in Translation ???
|
|
1
|
Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem
Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten
Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von
bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum
gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich
zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.
|
As Gregor Samsa awoke one morning from uneasy dreams he found himself transformed in
his bed into a gigantic insect. He was lying on his hard, as it were armor-plated, back
and when he lifted his head a little he could see his domelike brown belly divided into
stiff arched segments on top of which the bed quilt could hardly stay in place and was
about to slide off completely. His numerous legs, which were pitifully thin compared to
the rest of his bulk, waved helplessly before his eyes.
|
1.1
|
"Was ist mit mir geschehen?" dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein
richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier
wohlbekannten Wänden. Über dem Tisch, auf dem eine auseinandergepackte Musterkollektion
von Tuchwaren ausgebreitet war - Samsa war Reisender -, hing das Bild, das er vor
kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen,
vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die, mit einem
Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen schweren Pelzmuff, in dem
ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob.
|
"What has happened to me?" he thought. It was no dream. His room, a regular
human bedroom, only rather too small, lay quiet within its four familiar walls. Above
the table on which a collection of cloth samples was unpacked and spread out - Samsa
was a traveling salesman - hung the picture which he had recently cut out of an
illustrated magazine and put into a pretty gilt frame. It showed a lady, with a fur hat
on and a fur stole, sitting upright and holding out to the spectator a huge fur muff
into which the whole of her forearm had vanished.
|
1.2
|
Gregors Blick richtete sich dann zum Fenster, und das trübe Wetter - man hörte
Regentropfen auf das Fensterblech aufschlagen - machte ihn ganz melancholisch.
"Wie wäre es, wenn ich noch ein wenig weiterschliefe und alle Narrheiten
vergäße", dachte er, aber das war gänzlich undurchführbar, denn er war gewöhnt,
auf der rechten Seite zu schlafen, konnte sich aber in seinem gegenwärtigen Zustand
nicht in diese Lage bringen. Mit welcher Kraft er sich auch auf die rechte Seite warf,
immer wieder schaukelte er in die Rückenlage zurück. Er versuchte es wohl hundertmal,
schloß die Augen, um die zappelnden Beine nicht sehen zu müssen, und ließ erst ab, als
er in der Seite einen noch nie gefühlten, leichten, dumpfen Schmerz zu fühlen begann.
|
Gregor's eyes turned next to the window, and the overcast sky -- one could hear
raindrops beating on the window gutter -- made him quite melancholy. What about
sleeping a little longer and forgetting all this nonsense, he thought, but it could not
be done, for he was accustomed to sleep on his right side and in his present condition
he could not turn himself over. However violently he forced himself toward his right
side he always rolled onto his back again. He tried it at least a hundred times,
shutting his eyes to keep from seeing his struggling legs, and only desisted when he
began to feel in his side a faint dull ache he had never felt before.
|
1.3
|
"Ach Gott", dachte er, "was für einen anstrengenden Beruf habe ich
gewählt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen sind viel
größer, als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem ist mir noch diese Plage
des Reisens auferlegt, die Sorgen um die Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte
Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher
Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!" Er fühlte ein leichtes Jucken oben auf
dem Bauch; schob sich auf dem Rücken langsam näher zum Bettpfosten, um den Kopf besser
heben zu können; fand die juckende Stelle, die mit lauter kleinen weißen Pünktchen
besetzt war, die er nicht zu beurteilen verstand; und wollte mit einem Bein die Stelle
betasten, zog es aber gleich zurück, denn bei der Berührung umwehten ihn Kälteschauer.
|
"Oh God", he thought, "what an exhausting job I've picked out for
myself! On the road day in, day out. It's much more irritating work than doing the
actual business in the home office, and on top of that there's the trouble of constant
traveling, of worrying about train connections, the bad food and irregular meals,
casual acquaintances that are always new and never become intimate friends. The devil
take it all!" He felt a slight itching up on his belly, slowly pushed himself on
his back nearer to the top of the bed so that he could lift his head more easily,
identified the itching place which was surrounded by many small white spots the nature
of which he could not understand and was about to touch it with a leg, but drew the leg
back immediately, for the contact made a cold shiver run through him.
|
1.4
|
Er glitt wieder in seine frühere Lage zurück. "Dies frühzeitige Aufstehen",
dachte er, "macht einen ganz blödsinnig. Der Mensch muß seinen Schlaf haben.
Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich zum Beispiel im Laufe des Vormittags
ins Gasthaus zurückgehe, um die erlangten Aufträge zu überschreiben, sitzen diese
Herren erst beim Frühstück. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich würde auf der
Stelle hinausfliegen. Wer weiß übrigens, ob das nicht sehr gut für mich wäre. Wenn ich
mich nicht wegen meiner Eltern zurückhielte, ich hätte längst gekündigt, ich wäre vor
den Chef hin getreten und hätte ihm meine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt. Vom
Pult hätte er fallen müssen! Es ist auch eine sonderbare Art, sich auf das Pult zu
setzen und von der Höhe herab mit dem Angestellten zu reden, der überdies wegen der
Schwerhörigkeit des Chefs ganz nahe herantreten muß. Nun, die Hoffnung ist noch nicht
gänzlich aufgegeben; habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern an
ihn abzuzahlen – es dürfte noch fünf bis sechs Jahre dauern –, mache ich die Sache
unbedingt. Dann wird der große Schnitt gemacht. Vorläufig allerdings muß ich aufstehen,
denn mein Zug fährt um fünf.
|
He slid down again into his former position. This getting up early, he thought, can
make an idiot out of anyone. A man needs his sleep. Other salesmen live like harem
women. For instance, when I come back to the hotel in the morning to write up my orders
these others are only sitting down to breakfast. Let me just try that with my boss;
I'd be fired on the spot. Anyhow, that might be quite a good thing for me, who can
tell? If I didn't have to hold back because of my parents I'd have given notice long
ago, I'd have gone to the boss and told him exactly what I think of him. That would
knock him right off his desk! It's a peculiar habit of his, too, sitting on top of the
desk like that and talking down to employees, especially when they have to come quite
near because the boss is hard of hearing. Well, there's still hope; once I've saved
enough money to pay back my parents' debts to him - that should take another five or
six years - I'll do it without fail. I'll cut my ties completely then. For the
moment, though, I'd better get up, since my train leaves at five.
|
1.5
|
Und er sah zur Weckuhr hinüber, die auf dem Kasten tickte. "Himmlischer
Vater!" dachte er. Es war halb sieben Uhr, und die Zeiger gingen ruhig vorwärts,
es war sogar halb vorüber, es näherte sich schon dreiviertel. Sollte der Wecker nicht
geläutet haben? Man sah vom Bett aus, daß er auf vier Uhr richtig eingestellt war;
gewiß hatte er auch geläutet. Ja, aber war es möglich, dieses möbelerschütternde Läuten
ruhig zu verschlafen? Nun, ruhig hatte er ja nicht geschlafen, aber wahrscheinlich
desto fester. Was aber sollte er jetzt tun? Der nächste Zug ging um sieben Uhr; um den
einzuholen, hätte er sich unsinnig beeilen müssen, und die Kollektion war noch nicht
eingepackt, und er selbst fühlte sich durchaus nicht besonders frisch und beweglich.
Und selbst wenn er den Zug einholte, ein Donnerwetter des Chefs war nicht zu vermeiden,
denn der Geschäftsdiener hatte beim Fünfuhrzug gewartet und die Meldung von seiner
Versäumnis längst erstattet. Es war eine Kreatur des Chefs, ohne Rückgrat und Verstand.
Wie nun, wenn er sich krank meldete? Das wäre aber äußerst peinlich und verdächtig,
denn Gregor war während seines fünfjährigen Dienstes noch nicht einmal krank gewesen.
Gewiß würde der Chef mit dem Krankenkassenarzt kommen, würde den Eltern wegen des
faulen Sohnes Vorwürfe machen und alle Einwände durch den Hinweis auf den
Krankenkassenarzt abschneiden, für den es ja überhaupt nur ganz gesunde, aber
arbeitsscheue Menschen gibt. Und hätte er übrigens in diesem Falle so ganz unrecht?
Gregor fühlte sich tatsächlich, abgesehen von einer nach dem langen Schlaf wirklich
überflüssigen Schläfrigkeit, ganz wohl und hatte sogar einen besonders kräftigen
Hunger.
|
He looked at the alarm clock ticking on the chest of drawers. Heavenly Father! he
thought. It was half-past six and the hands were quietly moving on, it was even past
the half-hour, it was getting on toward a quarter to seven. Had the alarm clock not
gone off? From the bed one could see that it had been properly set for four o'clock; of
course it must have gone off. Yes, but was it possible to sleep quietly through that
ear-splitting noise? Well, he had not slept quietly, yet apparently all the more
soundly for that. But what was he to do now? The next train went at seven o'clock; to
catch that he would need to hurry like mad and his samples weren't even packed, and he
himself wasn't feeling particu-larly fresh and energetic. And even if he did catch the
train he couldn't avoid a tirade from the boss, since the messenger boy must have been
waiting for the five o'clock train and must have long since reported his failure to
turn up. This messenger was a creature of the boss's, spineless and stupid. Well,
supposing he were to say he was sick? But that would be very awkward and would look
suspicious, since during his five years' employment he had not been ill once. The
boss himself would be sure to come with the health insurance doctor, would reproach his
parents for their son's laziness, and would cut all excuses short by handing the matter
over to the insurance doctor, who of course regarded all mankind as perfectly healthy
malingerers. And would he be so far wrong in this case? Gregor really felt quite well,
apart from a drowsiness that was quite inexcusable after such a long sleep, and he was
even unusually hungry.
|
1.6
|
Als er dies alles in größter Eile überlegte, ohne sich entschließen zu können, das Bett
zu verlassen – gerade schlug der Wecker dreiviertel sieben – klopfte es vorsichtig an
die Tür am Kopfende seines Bettes. "Gregor", rief es – es war die Mutter –,
"es ist dreiviertel sieben. Wolltest du nicht wegfahren?" Die sanfte Stimme!
Gregor erschrak, als er seine antwortende Stimme hörte, die wohl unverkennbar seine
frühere war, in die sich aber, wie von unten her, ein nicht zu unterdrückendes,
schmerzliches Piepsen mischte, das die Worte förmlich nur im ersten Augenblick in ihrer
Deutlichkeit beließ, um sie im Nachklang derart zu zerstören, daß man nicht wußte, ob
man recht gehört hatte. Gregor hatte ausführlich antworten und alles erklären wollen,
beschränkte sich aber bei diesen Umständen darauf, zu sagen: "Ja, ja, danke
Mutter, ich stehe schon auf. " Infolge der Holztür war die Veränderung in Gregors
Stimme draußen wohl nicht zu merken, denn die Mutter beruhigte sich mit dieser
Erklärung und schlürfte davon. Aber durch das kleine Gespräch waren die anderen
Familienmitglieder darauf aufmerksam geworden, daß Gregor wider Erwarten noch zu Hause
war, und schon klopfte an der einen Seitentür der Vater, schwach, aber mit der Faust.
"Gregor, Gregor", rief er, "was ist denn?" Und nach einer kleinen
Weile mahnte er nochmals mit tieferer Stimme: "Gregor! Gregor!" An der
anderen Seitentür aber klagte leise die Schwester: "Gregor? Ist dir nicht wohl?
Brauchst du etwas?" Nach beiden Seiten hin antwortete Gregor: "Bin schon
fertig", und bemühte sich, durch die sorgfältigste Aussprache und durch
Einschaltung von langen Pausen zwischen den einzelnen Worten seiner Stimme alles
Auffallende zu nehmen. Der Vater kehrte auch zu seinem Frühstück zurück, die Schwester
aber flüsterte: "Gregor, mach auf, ich beschwöre dich. " Gregor aber dachte
gar nicht daran aufzumachen, sondern lobte die vom Reisen her übernommene Vorsicht,
auch zu Hause alle Türen während der Nacht zu versperren.
|
As all this was running through his mind at top speed without his being able to decide
to leave his bed - the alarm clock had just struck a quarter to seven - there was
a cau-tious tap at the door near the head of his bed. "Gregor," said a
voice - it was his mother's - "it's a quarter to seven. Didn't you have a
train to catch?" That gentle voice! Gregor had a shock as he heard his own voice
answering hers, unmistakably his own voice, it was true, but with a persistent horrible
twittering squeak behind it like an undertone, which left the words in their clear
shape only for the first moment and then rose up reverberating around them to destroy
their sense, so that one could not be sure one had heard them rightly. Gregor wanted to
answer at length and explain everything, but in the circumstances he confined himself
to saying: "Yes, yes, thank you, Mother, I'm getting up now." The wooden door
between them must have kept the change in his voice from being noticeable outside, for
his mother contented herself with this statement and shuffled away. Yet this brief
exchange of words had made the other members of the family aware that Gregor was,
strangely, still at home, and at one of the side doors his father was already knocking,
gently, yet with his fist. "Gregor, Gregor," he called, "What's the
matter with you?" And after a little while he called again in a deeper voice:
"Gregor! Gregor!" At the other side door his sister was saying in a low,
plaintive tone: "Gregor? Aren't you well? Do you need anything?" He answered
them both at once: "I'm just about ready," and did his best to make his voice
sound as normal as possible by enunciating the words very clearly and leaving long
pauses between them. So his father went back to his breakfast, but his sister
whispered: "Gregor, open the door, I beg you." However, he was not thinking
of opening the door, and felt thankful for the prudent habit he had acquired on the
road of locking all doors during the night, even at home.
|
1.7
|
Zunächst wollte er ruhig und ungestört aufstehen, sich anziehen und vor allem
frühstücken, und dann erst das Weitere überlegen, denn, das merkte er wohl, im Bett
würde er mit dem Nachdenken zu keinem vernünftigen Ende kommen. Er erinnerte sich,
schon öfters im Bett irgendeinen vielleicht durch ungeschicktes Liegen erzeugten,
leichten Schmerz empfunden zu haben, der sich dann beim Aufstehen als reine Einbildung
herausstellte, und er war gespannt, wie sich seine heutigen Vorstellungen allmählich
auflösen würden. Daß die Veränderung der Stimme nichts anderes war, als der Vorbote
einer tüchtigen Verkühlung, einer Berufskrankheit der Reisenden, daran zweifelte er
nicht im geringsten
|
His immediate intention was to get up quietly without being disturbed, to put on his
clothes and above all eat his breakfast, and only then to consider what else had to be
done, since he was well aware his meditations would come to no sensible conclusion if
he remained in bed. He remembered that often enough in bed he had felt small aches and
pains, probably caused by lying in awkward positions, which had proved purely imaginary
once he got up, and he looked forward eagerly to seeing this morning's delusions
gradually evaporate. That the change in his voice was nothing but the precursor of a
bad cold, a typical ailment of traveling salesmen, he had not the slightest doubt.
|
1.8
|
Die Decke abzuwerfen war ganz einfach; er brauchte sich nur ein wenig aufzublasen und
sie fiel von selbst. Aber weiterhin wurde es schwierig, besonders weil er so ungemein
breit war. Er hätte Arme und Hände gebraucht, um sich aufzurichten; statt dessen aber
hatte er nur die vielen Beinchen, die ununterbrochen in der verschiedensten Bewegung
waren und die er überdies nicht beherrschen konnte. Wollte er eines einmal einknicken,
so war es das erste, daß es sich streckte; und gelang es ihm endlich, mit diesem Bein
das auszuführen, was er wollte, so arbeiteten inzwischen alle anderen, wie
freigelassen, in höchster, schmerzlicher Aufregung. "Nur sich nicht im Bett unnütz
aufhalten", sagte sich Gregor.
|
To get rid of the quilt was quite easy; he had only to inflate himself a little and it
fell off by itself. But the next move was difficult, especially because he was so
unusually broad. He would have needed arms and hands to hoist himself up; instead he
had only the numerous little legs which never stopped waving in all directions and
which he could not control in the least. When he tried to bend one of them the first
thing it did was to stretch itself out straight; and if he finally succeeded in making
it do what he wanted, all the other legs meanwhile waved the more wildly in the most
painful anal unpleasant way. "But what's the use of lying idle in bed?" said
Gregor to himself.
|
1.9
|
Zuerst wollte er mit dem unteren Teil seines Körpers aus dem Bett hinauskommen, aber
dieser untere Teil, den er übrigens noch nicht gesehen hatte und von dem er sich auch
keine rechte Vorstellung machen konnte, erwies sich als zu schwer beweglich; es ging so
langsam; und als er schließlich, fast wild geworden, mit gesammelter Kraft, ohne
Rücksicht sich vorwärtsstieß, hatte er die Richtung falsch gewählt, schlug an den
unteren Bettpfosten heftig an, und der brennende Schmerz, den er empfand, belehrte ihn,
daß gerade der untere Teil seines Körpers augenblicklich vielleicht der empfindlichste
war. Er versuchte es daher, zuerst den Oberkörper aus dem Bett zu bekommen, und drehte
vorsichtig den Kopf dem Bettrand zu. Dies gelang auch leicht, und trotz ihrer Breite
und Schwere folgte schließlich die Körpermasse langsam der Wendung des Kopfes. Aber als
er den Kopf endlich außerhalb des Bettes in der freien Luft hielt, bekam er Angst,
weiter auf diese Weise vorzurücken, denn wenn er sich schließlich so fallen ließ, mußte
geradezu ein Wunder geschehen, wenn der Kopf nicht verletzt werden sollte. Und die
Besinnung durfte er gerade jetzt um keinen Preis verlieren; lieber wollte er im Bett
bleiben.
|
He thought that he might get out of bed with the lower part of his body first, but this
lower part, which he had not yet seen and of which he could form no clear picture,
proved too difficult to move; it shifted so slowly; and when finally, almost wild with
annoyance, he gathered his forces together and thrust out recklessly, he had
miscalculated the direction and bumped heavily against the lower end of the bed, and
the stinging pain he felt informed him that precisely this lower part of his body was
at the moment probably the most sensitive. So he tried to get the top part of himself
out first, and cautiously moved his head toward the edge of the bed. That proved easy
enough, and despite its breadth and mass the bulk of his body at last slowly followed
the movement of his head. Still, when he finally got his head free over the edge of the
bed he felt too scared to go on advancing, for, after all, if he let himself fall in
this way it would take a miracle to keep his head from being injured. And under no
circum-stances could he afford to lose consciousness now, precisely now; he would
rather stay in bed.
|
1.10
|
Aber als er wieder nach gleicher Mühe aufseufzend so dalag wie früher, und wieder seine
Beinchen womöglich noch ärger gegeneinander kämpfen sah und keine Möglichkeit fand, in
diese Willkür Ruhe und Ordnung zu bringen, sagte er sich wieder, daß er unmöglich im
Bett bleiben könne und daß es das Vernünftigste sei, alles zu opfern, wenn auch nur die
kleinste Hoffnung bestünde, sich dadurch vom Bett zu befreien. Gleichzeitig aber vergaß
er nicht, sich zwischendurch daran zu erinnern, daß viel besser als verzweifelte
Entschlüsse ruhige und ruhigste Überlegung sei. In solchen Augenblicken richtete er die
Augen möglichst scharf auf das Fenster, aber leider war aus dem Anblick des
Morgennebels, der sogar die andere Seite der engen Straße verhüllte, wenig Zuversicht
und Munterkeit zu holen. "Schon sieben Uhr", sagte er sich beim neuerlichen
Schlagen des Weckers, "schon sieben Uhr und noch immer ein solcher Nebel. "
Und ein Weilchen lang lag er ruhig mit schwachem Atem, als erwarte er vielleicht von
der völligen Stille die Wiederkehr der wirklichen und selbstverständlichen
Verhältnisse.
|
But when after a repetition of the same efforts he lay in his former position again,
sighing, and watched his little legs struggling against each other more wildly than
ever, if that were possible, and saw no way of bringing any calm and order into this
senseless confusion, he told himself again that it was impossible to stay in bed and
that the most sensible course was to risk everything for the smallest hope of getting
away from it. At the same time, however, he did not forget to remind himself
occasionally that cool reflection, the coolest possible, was much better than desperate
resolves. At such moments he focused his eyes as sharply as possible on the window,
but, unfortunately, the prospect of the morning fog, which enshrouded even the other
side of the narrow street, brought him little encouragement and comfort. "Seven
o'clock already," he said to himself when the alarm clock chimed again,
"seven o'clock already and still such a thick fog." And for a little while he
lay quiet, breathing lightly as if perhaps expecting the total silence around him to
restore all things to their real and normal condition.
|
1.11
|
Dann aber sagte er sich: "Ehe es einviertel acht schlägt, muß ich unbedingt das
Bett vollständig verlassen haben. Im übrigen wird auch bis dahin jemand aus dem
Geschäft kommen, um nach mir zu fragen, denn das Geschäft wird vor sieben Uhr geöffnet.
" Und er machte sich nun daran, den Körper in seiner ganzen Länge vollständig
gleichmäßig aus dem Bett hinauszuschaukeln. Wenn er sich auf diese Weise aus dem Bett
fallen ließ, blieb der Kopf, den er beim Fall scharf heben wollte, voraussichtlich
unverletzt. Der Rücken schien hart zu sein; dem würde wohl bei dem Fall auf den Teppich
nichts geschehen. Das größte Bedenken machte ihm die Rücksicht auf den lauten Krach,
den es geben müßte und der wahrscheinlich hinter allen Türen wenn nicht Schrecken, so
doch Besorgnisse erregen würde. Das mußte aber gewagt werden.
|
But then he said to himself: "Before it strikes a quarter past seven I absolutely
must be quite out of this bed, without fail. Anyhow, by that time someone will have
come from the office to ask for me, since it opens before seven." And he began to
rock his whole body at once in a regular rhythm, with the idea of swinging it out of
the bed. If he tipped himself out in that way he could keep his head from injury by
lifting it at a sharp angle as he fell. His back seemed to be hard and was not likely
to suffer from a fall on the carpet. His biggest worry was the loud crash he would not
be able to help making which would probably cause anxiety, if not terror, behind all
the doors. Still, he must take the risk.
|
1.12
|
Als Gregor schon zur Hälfte aus dem Bette ragte – die neue Methode war mehr ein Spiel
als eine Anstrengung, er brauchte immer nur ruckweise zu schaukeln –, fiel ihm ein, wie
einfach alles wäre, wenn man ihm zu Hilfe käme. Zwei starke Leute – er dachte an seinen
Vater und das Dienstmädchen – hätten vollständig genügt; sie hätten ihre Arme nur unter
seinen gewölbten Rücken schieben, ihn so aus dem Bett schälen, sich mit der Last
niederbeugen und dann bloß vorsichtig dulden müssen, daß er den Überschwung auf dem
Fußboden vollzog, wo dann die Beinchen hoffentlich einen Sinn bekommen würden. Nun,
ganz abgesehen davon, daß die Türen versperrt waren, hätte er wirklich um Hilfe rufen
sollen? Trotz aller Not konnte er bei diesem Gedanken ein Lächeln nicht unterdrücken.
|
When he was already half out of the bed - the new method was more a game than an
effort, for he needed only to shift himself across by rocking to and fro - it struck
him how simple it would be if he could get help. Two strong people - he thought of
his father and the maid - would be amply sufficient; they would only have to thrust
their arms under his convex back, lever him out of the bed, bend down with their
burden, and then be patient enough to let him turn himself right over onto the floor,
where it was to be hoped his little legs would then find their proper function. Well,
ignoring the fact that the doors were all locked, should he really call for help? In
spite of his predicament he could not suppress a smile at the very idea of it.
|
1.13
|
Schon war er so weit, daß er bei stärkerem Schaukeln kaum das Gleichgewicht noch
erhielt, und sehr bald mußte er sich nun endgültig entscheiden, denn es war in fünf
Minuten einviertel acht, – als es an der Wohnungstür läutete. "Das ist jemand aus
dem Geschäft", sagte er sich und erstarrte fast, während seine Beinchen nur desto
eiliger tanzten. Einen Augenblick blieb alles still. "Sie öffnen nicht",
sagte sich Gregor, befangen in irgendeiner unsinnigen Hoffnung. Aber dann ging
natürlich wie immer das Dienstmädchen festen Schrittes zur Tür und öffnete. Gregor
brauchte nur das erste Grußwort des Besuchers zu hören und wußte schon, wer es war –
der Prokurist selbst. Warum war nur Gregor dazu verurteilt, bei einer Firma zu dienen,
wo man bei der kleinsten Versäumnis gleich den größten Verdacht faßte? Waren denn alle
Angestellten samt und sonders Lumpen, gab es denn unter ihnen keinen treuen ergebenen
Menschen, der, wenn er auch nur ein paar Morgenstunden für das Geschäft nicht
ausgenützt hatte, vor Gewissensbissen närrisch wurde und geradezu nicht imstande war,
das Bett zu verlassen? Genügte es wirklich nicht, einen Lehrjungen nachfragen zu lassen
– wenn überhaupt diese Fragerei nötig war –, mußte da der Prokurist selbst kommen, und
mußte dadurch der ganzen unschuldigen Familie gezeigt werden, daß die Untersuchung
dieser verdächtigen Angelegenheit nur dem Verstand des Prokuristen anvertraut werden
konnte? Und mehr infolge der Erregung, in welche Gregor durch diese Überlegungen
versetzt wurde, als infolge eines richtigen Entschlusses, schwang er sich mit aller
Macht aus dem Bett. Es gab einen lauten Schlag, aber ein eigentlicher Krach war es
nicht. Ein wenig wurde der Fall durch den Teppich abgeschwächt, auch war der Rücken
elastischer, als Gregor gedacht hatte, daher kam der nicht gar so auffallende dumpfe
Klang. Nur den Kopf hatte er nicht vorsichtig genug gehalten und ihn angeschlagen; er
drehte ihn und rieb ihn an dem Teppich vor Ärger und Schmerz.
|
He had already gotten to the point where he would lose his balance if he rocked any
harder, and very soon he would have to make up his mind once and for all since in five
minutes it would be a quarter past seven - when the front doorbell rang.
"That's someone from the office," he said to himself, and grew almost rigid,
while his little legs only thrashed about all the faster. For a moment everything
stayed quiet. "They're not going to open the door," said Gregor to himself,
grasping at some kind of irrational hope. But then of course the maid went as usual to
the door with her determined stride and opened it. Gregor needed only to hear the first
good morning of the visitor to know immediately who it was - the chief clerk
himself. What a fate: to be condemned to work for a firm where the slightest negligence
at once gave rise to the gravest suspicion! Were all the employees nothing but a bunch
of scoundrels, was there not among them one single loyal devoted man who, had he wasted
only an hour or so of the firm's time in the morning, was so tormented by conscience as
to be driven out of his mind and actually incapable of leaving his bed? Wouldn't it
really have been sufficient to send an office boy to inquire - if indeed any inquiry
were necessary - did the chief clerk himself have to come and thus indicate to the
entire innocent family that this suspicious circumstance could be investi-gated by no
one less versed in affairs than himself? And more through the agitation caused by these
reflections than through any act of will Gregor swung himself out of bed with all his
strength. There was a loud thump, but it was not really a crash. His fall was broken to
some extent by the carpet, his back, too, was less stiff than he had thought, and so
there was merely a dull thud, not so very startling. Only he had not lifted his head
carefully enough and had hit it; he turned it and rubbed it on the carpet in pain and
irritation.
|
1.14
|
Da drin ist etwas gefallen", sagte der Prokurist im Nebenzimmer links. Gregor
suchte sich vorzustellen, ob nicht auch einmal dem Prokuristen etwas Ähnliches
passieren könnte, wie heute ihm; die Möglichkeit dessen mußte man doch eigentlich
zugeben. Aber wie zur rohen Antwort auf diese Frage machte jetzt der Prokurist im
Nebenzimmer ein paar bestimmte Schritte und ließ seine Lackstiefel knarren. Aus dem
Nebenzimmer rechts flüsterte die Schwester, um Gregor zu verständigen: "Gregor,
der Prokurist ist da. " "Ich weiß", sagte Gregor vor sich hin; aber so
laut, daß es die Schwester hätte hören können, wagte er die Stimme nicht zu erheben.
|
"Something fell in there," said the chief clerk in the adjacent room to the
left. Gregor tried to suppose to himself that something like what had happened to him
today might someday happen to the chief clerk; one really could not deny that it was
possible. But, as if in brusque reply to this supposition, the chief clerk took a
couple of firm steps in the next-door room and his patent leather boots creaked. From
the right-hand room his sister was whispering to inform him of the situation:
"Gregor, the chief clerk's here." "I know," muttered Gregor to
himself; but he didn't dare to make his voice loud enough for his sister to hear it.
|
1.15
|
"Gregor", sagte nun der Vater aus dem Nebenzimmer links, "der Herr
Prokurist ist gekommen und erkundigt sich, warum du nicht mit dem Frühzug weggefahren
bist. Wir wissen nicht, was wir ihm sagen sollen. Übrigens will er auch mit dir
persönlich sprechen. Also bitte mach die Tür auf. Er wird die Unordnung im Zimmer zu
entschuldigen schon die Güte haben." "Guten Morgen, Herr Samsa", rief
der Prokurist freundlich dazwischen. "Ihm ist nicht wohl<<, sagte die Mutter
zum Prokuristen, während der Vater noch an der Tür redete, "ihm ist nicht wohl,
glauben Sie mir, Herr Prokurist. Wie würde denn Gregor sonst einen Zug versäumen! Der
Junge hat ja nichts im Kopf als das Geschäft. Ich ärgere mich schon fast, daß er abends
niemals ausgeht; jetzt war er doch acht Tage in der Stadt, aber jeden Abend war er zu
Hause. Da sitzt er bei uns am Tisch und liest still die Zeitung oder studiert
Fahrpläne. Es ist schon eine Zerstreuung für ihn, wenn er sich mit Laubsägearbeiten
beschäftigt. Da hat er zum Beispiel im Laufe von zwei, drei Abenden einen kleinen
Rahmen geschnitzt; Sie werden staunen, wie hübsch er ist; er hängt drin im Zimmer; Sie
werden ihn gleich sehen, bis Gregor aufmacht. Ich bin übrigens glücklich, daß Sie da
sind, Herr Prokurist; wir allein hätten Gregor nicht dazu gebracht, die Tür zu öffnen;
er ist so hartnäckig; und bestimmt ist ihm nicht wohl, trotzdem er es am Morgen
geleugnet hat. " "Ich komme gleich", sagte Gregor langsam und bedächtig
und rührte sich nicht, um kein Wort der Gespräche zu verlieren. "Anders, gnädige
Frau, kann ich es mir auch nicht erklären", sagte der Prokurist, "hoffentlich
ist es nichts Ernstes. Wenn ich auch andererseits sagen muß, daß wir Geschäftsleute –
wie man will, leider oder glücklicherweise – ein leichtes Unwohlsein sehr oft aus
geschäftlichen Rücksichten einfach überwinden müssen. " "Also kann der Herr
Prokurist schon zu dir hinein?" fragte der ungeduldige Vater und klopfte wiederum
an die Tür. "Nein", sagte Gregor. Im Nebenzimmer links trat eine peinliche
Stille ein, im Nebenzimmer rechts begann die Schwester zu schluchzen.
|
"Gregor," said his father now from the room on the left, "the chief
clerk has come and wants to know why you didn't catch the early train. We don't know
what to say to him. Besides, he wants to talk to you in person. So open the door,
please. He will be good enough to excuse the mess in your room." "Good
morning, Mr. Samsa," the chief clerk was calling amiably meanwhile. "He's not
well," said his mother to the visitor, while his father was still speaking through
the door, "he's not well, sir, believe me. What else would make him miss a train!
The boy thinks about nothing but his work. It makes me almost cross the way he never
goes out in the evening; he's been here all last week and has stayed at home every
single evening. He just sits there quietly at the table reading a newspaper or looking
through railroad timetables. The only amusement he gets is working with his jigsaw. For
instance, he spent two or three evenings cutting out a little picture frame; you would
be surprised to see how pretty it is; it's hanging in his room; you'll see it in a
minute when Gregor opens the door. I must say I'm glad you've come, sir; we should
never have gotten him to unlock the door by ourselves; he's so obstinate; and I'm sure
he's unwell, even if he denied it earlier this morning." "I'll be right
there," said Gregor slowly and carefully, not moving an inch for fear of losing
one word of the conversation. "I can't think of any other explanation,
madam," said the chief clerk, "I hope it's nothing serious. Although on the
other hand I must say that we men of business - unfortunately or perhaps
fortunately - very often simply have to ignore any slight indisposition, since
business must be attended to." "Well, can the chief clerk come in now?"
asked Gregor's father impatiently, again knocking on the door. "No,"
said Gregor. In the left-hand room a painful silence followed this refusal; in the
right-hand room his sister began to sob.
|
1.16
|
Warum ging denn die Schwester nicht zu den anderen? Sie war wohl erst jetzt aus dem
Bett aufgestanden und hatte noch gar nicht angefangen sich anzuziehen. Und warum weinte
sie denn? Weil er nicht aufstand und den Prokuristen nicht hereinließ, weil er in
Gefahr war, den Posten zu verlieren und weil dann der Chef die Eltern mit den alten
Forderungen wieder verfolgen würde? Das waren doch vorläufig wohl unnötige Sorgen. Noch
war Gregor hier und dachte nicht im geringsten daran, seine Familie zu verlassen.
Augenblicklich lag er wohl da auf dem Teppich, und niemand, der seinen Zustand gekannt
hätte, hätte im Ernst von ihm verlangt, daß er den Prokuristen hereinlasse. Aber wegen
dieser kleinen Unhöflichkeit, für die sich ja später leicht eine passende Ausrede
finden würde, konnte Gregor doch nicht gut sofort weggeschickt werden. Und Gregor
schien es, daß es viel vernünftiger wäre, ihn jetzt in Ruhe zu lassen, statt ihn mit
Weinen und Zureden zu stören. Aber es war eben die Ungewißheit, welche die anderen
bedrängte und ihr Benehmen entschuldigte.
|
Why didn't his sister join the others? She had probably just gotten out of bed and
hadn't even begun to put on her clothes yet. Well, why was she crying? Because he
wouldn't get up and let the chief clerk in, because he was in danger of losing his job,
and because the head of the firm would begin dunning his parents again for the old
debts? Surely these were things one didn't need to worry about for the present. Gregor
was still at home and not in the least think-ing of deserting the family. At the
moment, true, he was lying on the carpet and no one who knew the condition he was in
could seriously expect him to admit the chief clerk. But for such a small discourtesy,
which could plausibly be explained away somehow later on, Gregor could hardly be fired
on the spot. And it seemed to Gregor that it would be much more sensible to leave him
in peace for the present than to trouble him with tears and entreaties. Still, of
course, their uncertainty bewildered them all and excused their behavior.
|
1.17
|
"Herr Samsa", rief nun der Prokurist mit erhobener Stimme, "was ist denn
los? Sie verbarrikadieren sich da in Ihrem Zimmer, antworten bloß mit ja und nein,
machen Ihren Eltern schwere, unnötige Sorgen und versäumen – dies nur nebenbei erwähnt
– Ihre geschäftlichen Pflichten in einer eigentlich unerhörten Weise. Ich spreche hier
im Namen Ihrer Eltern und Ihres Chefs und bitte Sie ganz ernsthaft um eine
augenblickliche, deutliche Erklärung. Ich staune, ich staune. Ich glaubte Sie als einen
ruhigen, vernünftigen Menschen zu kennen, und nun scheinen Sie plötzlich anfangen zu
wollen, mit sonderbaren Launen zu paradieren. Der Chef deutete mir zwar heute früh eine
mögliche Erklärung für Ihre Versäumnis an – sie betraf das Ihnen seit kurzem
anvertraute Inkasso –, aber ich legte wahrhaftig fast mein Ehrenwort dafür ein, daß
diese Erklärung nicht zutreffen könne. Nun aber sehe ich hier Ihren unbegreiflichen
Starrsinn und verliere ganz und gar jede Lust, mich auch nur im geringsten für Sie
einzusetzen. Und Ihre Stellung ist durchaus nicht die festeste. Ich hatte ursprünglich
die Absicht, Ihnen das alles unter vier Augen zu sagen, aber da Sie mich hier nutzlos
meine Zeit versäumen lassen, weiß ich nicht, warum es nicht auch Ihre Herren Eltern
erfahren sollen. Ihre Leistungen in der letzten Zeit waren also sehr unbefriedigend; es
ist zwar nicht die Jahreszeit, um besondere Geschäfte zu machen, das erkennen wir an;
aber eine Jahreszeit, um keine Geschäfte zu machen, gibt es überhaupt nicht, Herr
Samsa, darf es nicht geben."
|
"Mr. Samsa," the chief clerk called now in a louder voice, "what's the
matter with you? Here you are, barricading yourself in your room, giving only 'yes' and
'no' for answers, causing your parents a lot of unnecessary trouble and
neglecting - I mention this only in passing - neglecting your business duties in
an incredible fashion. I am speaking here in the name of your parents and of your
employer, and I beg you quite seriously to give me an immediate and precise
explanation. You amaze me, you amaze me. I thought you were a quiet, dependable person,
and now all at once you seem bent on making a disgraceful exhibition of yourself. The
boss did hint to me early this morning a possi-ble explanation for your
disappearance - with reference to the cash payments that were entrusted to you
recently - but I almost pledged my solemn word of honor that this could not be so.
But now that I see how incredibly obstinate you are. I no longer have the slightest
desire to take your part at all. And your position in the firm is not exactly
unassailable. I came with the intention of telling you all this in private, but since
you are wasting my time so needlessly I don't see why your parents shouldn't hear it
too. For some time now your work has been most unsatisfactory; this is not the best
time of the year for business, of course, we admit that, but a time of the year for
doing no business at all, that does not exist, Mr. Samsa, must not exist."
|
1.18
|
"Aber Herr Prokurist", rief Gregor außer sich und vergaß in der Aufregung
alles andere, "ich mache ja sofort, augenblicklich auf. Ein leichtes Unwohlsein,
ein Schwindelanfall, haben mich verhindert aufzustehen. Ich liege noch jetzt im Bett.
Jetzt bin ich aber schon wieder ganz frisch. Eben steige ich aus dem Bett. Nur einen
kleinen Augenblick Geduld! Es geht noch nicht so gut, wie ich dachte. Es ist mir aber
schon wohl. Wie das nur einen Menschen so überfallen kann! Noch gestern abend war mir
ganz gut, meine Eltern wissen es ja, oder besser, schon gestern Abend hatte ich eine
kleine Vorahnung. Man hätte es mir ansehen müssen. Warum habe ich es nur im Geschäfte
nicht gemeldet! Aber man denkt eben immer, daß man die Krankheit ohne Zuhausebleiben
überstehen wird. Herr Prokurist! Schonen Sie meine Eltern! Für alle die Vorwürfe, die
Sie mir jetzt machen, ist ja kein Grund; man hat mir ja davon auch kein Wort gesagt.
Sie haben vielleicht die letzten Aufträge, die ich geschickt habe, nicht gelesen.
Übrigens, noch mit dem Achtuhrzug fahre ich auf die Reise, die paar Stunden Ruhe haben
mich gekräftigt. Halten Sie sich nur nicht auf, Herr Prokurist; ich bin gleich selbst
im Geschäft, und haben Sie die Güte, das zu sagen und mich dem Herrn Chef zu
empfehlen!"
|
But, sir," cried Gregor, beside himself and in his agita-tion forgetting
everything else, "I'm just about to open the door this very minute. A slight
illness, an attack of dizziness, has kept me from getting up. I'm still lying in bed.
But I feel all right again. I'm getting out of bed right now. Just give me a moment or
two longer! It's not going as well as I thought. But I'm all right, really. How such a
thing can suddenly strike one down! Only last night I was quite well, my parents can
tell you, or rather I did have a slight presentiment. I must have showed some sign of
it. Why didn't I mention it at the office! But we always think we can get over any
illness without having to stay at home. Oh sir, do spare my parents! All that you're
reproaching me with now has no foundation; no one has ever said a word to me about it.
Perhaps you haven't looked at the last orders I sent in. Anyway, I can still catch the
eight o'clock train, I'm much the better for my few extra hours' rest. Don't let me
detain you here, sir; I'll be attending to business very soon, and do be good enough to
tell the boss so and to give him my best regards!"
|
1.19
|
Und während Gregor dies alles hastig ausstieß und kaum wußte, was er sprach, hatte er
sich leicht, wohl infolge der im Bett bereits erlangten Übung, dem Kasten genähert und
versuchte nun, an ihm sich aufzurichten. Er wollte tatsächlich die Tür aufmachen,
tatsächlich sich sehen lassen und mit dem Prokuristen sprechen; er war begierig zu
erfahren, was die anderen, die jetzt so nach ihm verlangten, bei seinem Anblick sagen
würden. Würden sie erschrecken, dann hatte Gregor keine Verantwortung mehr und konnte
ruhig sein. Würden sie aber alles ruhig hinnehmen, dann hatte auch er keinen Grund sich
aufzuregen, und konnte, wenn er sich beeilte, um acht Uhr tatsächlich auf dem Bahnhof
sein. Zuerst glitt er nun einigemale von dem glatten Kasten ab, aber endlich gab er
sich einen letzten Schwung und stand aufrecht da; auf die Schmerzen im Unterleib
achtete er gar nicht mehr, so sehr sie auch brannten. Nun ließ er sich gegen die
Rückenlehne eines nahen Stuhles fallen, an deren Rändern er sich mit seinen Beinchen
festhielt. Damit hatte er aber auch die Herrschaft über sich erlangt und verstummte,
denn nun konnte er den Prokuristen anhören.
|
And while all this was tumbling out in a rush and Gregor hardly knew what he was
saying, he had reached the chest of drawers quite easily, perhaps because of the
practice he had had in bed, and was now trying to get himself upright by means of it.
He actually meant to open the door, actually meant to show himself and speak to the
chief clerk; he was eager to find out what the others, after all their insistence,
would say at the sight of him. If they were horrified then the responsibility was no
longer his and he could relax. But if they took it in stride, then he had no reason
either to be upset, and could actually get to the station for the eight o'clock train
if he hurried. At first he slipped down a few times from the polished surface of the
chest, but finally with one last heave he stood upright; he paid no more attention to
the pains in the lower part of his body, no matter how much they smarted. Then he let
himself fall against the back of a nearby chair, and clung to its frame with his little
legs. With that he regained control over himself and he stopped speaking, for now he
could hear that the chief clerk was saying something.
|
1.20
|
"Haben Sie auch nur ein Wort verstanden?" fragte der Prokurist die Eltern,
"er macht sich doch wohl nicht einen Narren aus uns?" "Um Gottes
willen", rief die Mutter schon unter Weinen, "er ist vielleicht schwer krank,
und wir quälen ihn. Grete! Grete! " schrie sie dann. "Mutter?" rief die
Schwester von der anderen Seite. Sie verständigten sich durch Gregors Zimmer. "Du
mußt augenblicklich zum Arzt. Gregor ist krank. Rasch um den Arzt. Hast du Gregor jetzt
reden hören?" "Das war eine Tierstimme", sagte der Prokurist, auffallend
leise gegenüber dem Schreien der Mutter. "Anna! Anna! " rief der Vater durch
das Vorzimmer in die Küche und klatschte in die Hände, "sofort einen Schlosser
holen!" Und schon,liefen die zwei Mädchen mit rauschenden Röcken durch das
Vorzimmer – wie hatte sich die Schwester denn so schnell angezogen? und rissen die
Wohnungstüre auf. Man hörte gar nicht die Türe zuschlagen; sie hatten sie wohl offen
gelassen, wie es in Wohnungen zu sein pflegt, in denen ein großes Unglück geschehen
ist.
|
"Did you understand one single word of that?" the chief clerk was asking;
"surely he can't be trying to make fools of us?" "Oh, dear God,"
cried his mother, in tears, "perhaps he's terribly ill and we're tormenting him.
Grete! Grete!" she called out then. "Yes, Mother?" called his sister
from the other side. They were calling to each other through Gregor's room. "You
must go this minute for the doctor. Gregor is ill. Go for the doctor, quick. Did you
hear how he was speaking?" "That was the voice of an animal," said the
chief clerk in a voice conspicuously soft compared to the shrillness of the mother's.
"Anna! Anna!" his father was calling through the hall to the kitchen,
clapping his hands, "get a locksmith at once!" And the two girls were already
running through the hall with a swish of skirts - how could his sister have gotten
dressed so quickly? - and were tearing the front door open. There was no sound of
its closing again; they had evidently left it open, as one does in homes where some
great misfortune has happened.
|
1.21
|
Gregor war aber viel ruhiger geworden. Man verstand zwar also seine Worte nicht mehr,
trotzdem sie ihm genug klar, klarer als früher, vorgekommen waren, vielleicht infolge
der Gewöhnung des Ohres. Aber immerhin glaubte man nun schon daran, daß es mit ihm
nicht ganz in Ordnung war, und war bereit, ihm zu helfen. Die Zuversicht und
Sicherheit, mit welchen die ersten Anordnungen getroffen worden waren, taten ihm wohl.
Er fühlte sich wieder einbezogen in den menschlichen Kreis und erhoffte von beiden, vom
Arzt und vom Schlosser, ohne sie eigentlich genau zu scheiden, großartige und
überraschende Leistungen. Um für die sich nähernden entscheidenden Besprechungen eine
möglichst klare Stimme zu bekommen, hustete er ein wenig ab, allerdings bemüht, dies
ganz gedämpft zu tun, da möglicherweise auch schon dieses Geräusch anders als
menschlicher Husten klang, was er selbst zu entscheiden sich nicht mehr getraute. Im
Nebenzimmer war es inzwischen ganz still geworden. Vielleicht saßen die Eltern mit dem
Prokuristen beim Tisch und tuschelten, vielleicht lehnten alle an der Türe und
horchten.
|
But Gregor was now much calmer. The words he ut-tered could no longer be understood
apparently, although they seemed clear enough to him, even clearer than before, perhaps
because his ear had grown accustomed to the sound of them. Yet at any rate people now
believed that something was wrong with him, and were ready to help. The positive
certainty with which these first measures had been taken comforted him. He felt himself
drawn once more into the human circle and hoped for great and remarkable results from
both the doctor and the locksmith, without really distinguishing precisely between
them. To make his voice as clear as possible for the crucial consultations that were
soon to take place he cleared his throat a little, as quietly as he could, of course,
since this noise too might not sound human for all he was able to judge. In the next
room meanwhile there was complete silence. Perhaps his parents were sitting at the
table with the chief clerk, whispering, perhaps they were all leaning against the door
and listening.
|
1.22
|
Gregor schob sich langsam mit dem Sessel zur Tür hin, ließ ihn dort los, warf sich
gegen die Tür, hielt sich an ihr aufrecht – die Ballen seiner Beinchen hatten ein wenig
Klebstoff – und ruhte sich dort einen Augenblick lang von der Anstrengung aus. Dann
aber machte er sich daran, mit dem Mund den Schlüssel im Schloß umzudrehen. Es schien
leider, daß er keine eigentlichen Zähne hatte, – womit sollte er gleich den Schlüssel
fassen? – aber dafür waren die Kiefer freilich sehr stark; mit ihrer Hilfe brachte er
auch wirklich den Schlüssel in Bewegung und achtete nicht darauf, daß er sich
zweifellos irgendeinen Schaden zufügte, denn eine braune Flüssigkeit kam ihm aus dem
Mund, floß über den Schlüssel und tropfte auf den Boden. "Hören Sie nur",
sagte der Prokurist im Nebenzimmer, "er dreht den Schlüssel um. " Das war für
Gregor eine große Aufmunterung; aber alle hätten ihm zurufen sollen, auch der Vater und
die Mutter: "Frisch, Gregor", hätten sie rufen sollen, "immer nur heran,
fest an das Schloß heran! " Und in der Vorstellung, daß alle seine Bemühungen mit
Spannung verfolgten, verbiß er sich mit allem, was er an Kraft aufbringen konnte,
besinnungslos in den Schlüssel. Je nach dem Fortschreiten der Drehung des Schlüssels
umtanzte er das Schloß; hielt sich jetzt nur noch mit dem Munde aufrecht, und je nach
Bedarf hing er sich an den Schlüssel oder drückte ihn dann wieder nieder mit der ganzen
Last seines Körpers. Der hellere Klang des endlich zurückschnappenden Schlosses
erweckte Gregor förmlich. Aufatmend sagte er sich: "Ich habe also den Schlosser
nicht gebraucht", und legte den Kopf auf die Klinke, um die Türe gänzlich zu
öffnen.
|
Slowly Gregor pushed the chair toward the door, then let go of it, caught hold of the
door for support - the pads at the ends of his little legs were somewhat
sticky - and rested against it for a moment after his efforts. Then he set himself
to turning the key in the lock with his mouth. It seemed, unfortunately, that he didn't
really have any teeth - what was he supposed to grip the key with? - but on the
other hand his jaws were certainly very strong; with their help he did manage to get
the key turning, heedless of the fact that he was undoubtedly damaging himself, since a
brown fluid issued from his mouth, flowed over the key, and dripped onto the floor.
"Just listen to that," said the chief clerk in the next room, "he's
turning the key." That was a great encouragement to Gregor; but they should all
have shouted encouragement to him, his father and mother too: "Come on,
Gregor," they should have called out, "keep going, get a good grip on that
key!" And in the belief that they were all following his efforts intently, he bit
down frantically on the key with all the force at his command. As the turning of the
key progressed he circled around the lock, holding on now only with his mouth, pushing
on the key, as required, or pulling it down again with all the weight of his body. The
louder click of the finally yielding lock literally quickened Gregor. With a deep
breath of relief he said to himself: "So I didn't need the locksmith," and
laid his head on the handle to open the door wide.
|
1.23
|
Da er die Türe auf diese Weise öffnen mußte, war sie eigentlich schon recht weit
geöffnet, und er selbst noch nicht zu sehen. Er mußte sich erst langsam um den einen
Türflügel herumdrehen, und zwar sehr vorsichtig, wenn er nicht gerade vor dem Eintritt
ins Zimmer plump auf den Rücken fallen wollte. Er war noch mit jener schwierigen
Bewegung beschäftigt und hatte nicht Zeit, auf anderes zu achten, da hörte er schon den
Prokuristen ein lautes "Oh!" ausstoßen – es klang, wie wenn der Wind saust –
und nun sah er ihn auch, wie er, der der Nächste an der Türe war, die Hand gegen den
offenen Mund drückte und langsam zurückwich, als vertreibe ihn eine unsichtbare,
gleichmäßig fortwirkende Kraft. Die Mutter – sie stand hier trotz der Anwesenheit des
Prokuristen mit von der Nacht her noch aufgelösten, hoch sich sträubenden Haaren – sah
zuerst mit gefalteten Händen den Vater an, ging dann zwei Schritte zu Gregor hin und
fiel inmitten ihrer rings um sie herum sich ausbreitenden Röcke nieder, das Gesicht
ganz unauffindbar zu ihrer Brust gesenkt. Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck
die Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zurückstoßen, sah sich dann unsicher im
Wohnzimmer um, beschattete dann mit den Händen die Augen und weinte, daß sich seine
mächtige Brust schüttelte.
|
Since he had to pull the door toward him, he was still invisible even when it was
really wide open. He had to edge himself slowly around the near half of the double
door, and to do it very carefully if he was not to fall flat on his back before he even
got inside. He was still carrying out this difficult maneuver, with no time to observe
anything else, when he heard the chief clerk utter a loud "Oh!" - it
sounded like a gust of wind - and now he could see the man, standing as he was
nearest to the door, clapping one hand over his open mouth and slowly backing away as
if he were being repelled by some unseen but inexorable force. His mother - in spite
of the chief clerk's presence her hair was still undone and sticking out in all
directions - first clasped her hands and looked at his father, then took two steps
toward Gregor and fell on the floor among her outspread skirts, her face completely
hidden on her breast. His father clenched one fist with a fierce expression on his face
as if he meant to knock Gregor back into his room, then looked uncertainly around the
living room, covered his eyes with his hands, and wept until his great chest heaved.
|
1.24
|
Gregor trat nun gar nicht in das Zimmer, sondern lehnte sich von innen an den
festgeriegelten Türflügel, so daß sein Leib nur zur Hälfte und darüber der seitlich
geneigte Kopf zu sehen war, mit dem er zu den anderen hinüberlugte. Es war inzwischen
viel heller geworden; klar stand auf der anderen Straßenseite ein Ausschnitt des
gegenüberliegenden, endlosen, grauschwarzen Hauses – es war ein Krankenhaus – mit
seinen hart die Front durchbrechenden regelmäßigen Fenstern; der Regen fiel noch
nieder, aber nur mit großen, einzeln sichtbaren und förmlich auch einzelnweise auf die
Erde hinuntergeworfenen Tropfen. Das Frühstücksgeschirr stand in überreicher Zahl auf
dem Tisch, denn für den Vater war das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages, die
er bei der Lektüre verschiedener Zeitungen stundenlang hinzog. Gerade an der gegenüber
liegenden Wand hing eine Photographie Gregors aus seiner Militärzeit, die ihn als
Leutnant darstellte, wie er, die Hand am Degen, sorglos lächelnd, Respekt für seine
Haltung und Uniform verlangte. Die Tür zum Vorzimmer war geöffnet, und man sah, da auch
die Wohnungstür offen war, auf den Vorplatz der Wohnung hinaus und auf den Beginn der
abwärts führenden Treppe.
|
Gregor did not go now into the living room, but leaned against the inside of the firmly
shut wing of the door, so that only half his body was visible and his head above it
tilted sideways to look at the others. It had meanwhile become much brighter outside;
on the other side of the street one could see clearly a section of the endlessly long,
dark gray building opposite - it was a hospital - its facade relentlessly
punctuated by evenly spaced windows; the rain was still falling, but only in large,
singly discernible drops, each one of which, it seemed, was literally being hurled to
the ground below. The breakfast dishes were set out on the table in great number, for
breakfast was the most important meal of the day for Gregor's father, who stretched it
out for hours over various newspapers. Right opposite Gregor on the wall hung a
photograph of himself in military service, as a lieutenant, hand on sword, a carefree
smile on his face, inviting respect for his uniform and military bearing. The door
lead-ing to the hall was open, and one could see that the front door stood open too,
showing the landing beyond and the beginning of the stairs going down.
|
1.25
|
"Nun", sagte Gregor und war sich dessen wohl bewußt, daß er der einzige war,
der die Ruhe bewahrt hatte, "ich werde mich gleich anziehen, die Kollektion
zusammenpacken und wegfahren. Wollt Ihr, wollt Ihr mich wegfahren lassen? Nun, Herr
Prokurist, Sie sehen, ich bin nicht starrköpfig und ich arbeite gern; das Reisen ist
beschwerlich, aber ich könnte ohne das Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr
Prokurist Ins Geschäft? Ja? Werden Sie alles wahrheitsgetreu berichten? Man kann im
Augenblick unfähig sein zu arbeiten, aber dann ist gerade der richtige Zeitpunkt, sich
an die früheren Leistungen zu erinnern und zu bedenken, daß man später, nach
Beseitigung des Hindernisses, gewiß desto fleißiger und gesammelter arbeiten wird. Ich
bin ja dem Herrn Chef so sehr verpflichtet, das wissen Sie doch recht gut. Andererseits
habe ich die Sorge um meine Eltern und die Schwester. Ich bin in der Klemme, ich werde
mich aber auch wieder herausarbeiten. Machen Sie es mir aber nicht schwieriger, als es
schon ist. Halten Sie im Geschäft meine Partei! Man liebt den Reisenden nicht, ich
weiß. Man denkt, er verdient ein Heidengeld und führt dabei ein schönes Leben. Man hat
eben keine besondere Veranlassung, dieses Vorurteil besser zu durchdenken. Sie aber,
Herr Prokurist, Sie haben einen besseren Überblick über die Verhältnisse, als das
sonstige Personal, ja sogar, ganz im Vertrauen gesagt, einen besseren Überblick, als
der Herr Chef selbst, der in seiner Eigenschaft als Unternehmer sich in seinem Urteil
leicht zu Ungunsten eines Angestellten beirren läßt. Sie wissen auch sehr wohl, daß der
Reisende, der fast das ganze Jahr außerhalb des Geschäftes ist, so leicht ein Opfer von
Klatschereien, Zufälligkeiten und grundlosen Beschwerden werden kann, gegen die sich zu
wehren ihm ganz unmöglich ist, da er von ihnen meistens gar nichts erfährt und nur
dann, wenn er erschöpft eine Reise beendet hat, zu Hause die schlimmen, auf ihre
Ursachen hin nicht mehr zu durchschauenden Folgen am eigenen Leibe zu spüren bekommt.
Herr Prokurist, gehen Sie nicht weg, ohne mir ein Wort gesagt zu haben, das mir zeigt,
daß Sie mir wenigstens zu einem kleinen Teil recht geben!"
|
"Well," said Gregor, knowing perfectly that he was the only one who had
retained any composure, "I'll get dressed right away, pack up my samples, and
start off. Will you, will you be willing to let me go? You see, sir, I'm not stubborn,
and I like my work; traveling is a hard life, but I couldn't live without it. Where are
you going now, sir? To the office? Yes? Will you give an honest account of all this?
One can be temporarily incapacitated, but that's just the moment for remembering former
services and for bearing in mind that later on, when the problem has been resolved, one
will certainly work all the harder and with all the more concentration. I'm so indebted
to the head of the firm, you know that very well. On the other hand, I have my parents
and my sister to worry about. I'm in great difficulties, but I'll get out of them
again. Don't make things any worse for me than they already are. Stand up for me in the
firm. Salesmen are not popular there, I know. People think they earn piles of money and
just have a good time. A prejudice there's no particular reason to correct. But you,
sir, have a better view of the situation than the rest of the staff, yes, let me tell
you in confidence, a better view than the boss himself, who, being the owner, lets his
judgment be easily swayed against one of his employees. And you know very well that a
traveling salesman, who is almost never seen in the office all year long, can so easily
fall victim to gossip and bad luck and unfair accusations he can't defend himself
against because he generally knows nothing about them and only finds out when he comes
back exhausted from one of his trips and then has to suffer the terrible consequences
in some mysterious personal way. Sir, sir, don't go away without a word to me to show
that you think me in the right at least to some extent!"
|
1.26
|
Aber der Prokurist hatte sich schon bei den ersten Worten Gregors abgewendet, und nur
über die zuckende Schulter hinweg sah er mit aufgeworfenen Lippen nach Gregor zurück.
Und während Gregors Rede stand er keinen Augenblick still, sondern verzog sich, ohne
Gregor aus den Augen zu lassen, gegen die Tür, aber ganz allmählich, als bestehe ein
geheimes Verbot, das Zimmer zu verlassen. Schon war er im Vorzimmer, und nach der
plötzlichen Bewegung, mit der er zum letztenmal den Fuß aus dem Wohnzimmer zog, hätte
man glauben können, er habe sich soeben die Sohle verbrannt. Im Vorzimmer aber streckte
er die rechte Hand weit von sich zur Treppe hin, als warte dort auf ihn eine geradezu
überirdische Erlösung.
|
But at Gregor's very first words the chief clerk had already backed away and only
stared at him with parted lips over one twitching shoulder. And while Gregor was
speak-ing he did not stand still one moment but inched toward the door, yet without
taking his eyes off Gregor, as if obeying some mysterious order not to leave the room.
He was already in the hall, and to judge from the suddenness with which he took his
last step out of the living room one could easily have thought he had burned the sole
of his foot. Once in the hall he stretched his right arm before him toward the
staircase as if some supernatural power were waiting there to deliver him.
|
1.27
|
Gregor sah ein, daß er den Prokuristen in dieser Stimmung auf keinen Fall weggehen
lassen dürfe, wenn dadurch seine Stellung im Geschäft nicht aufs äußerste gefährdet
werden sollte. Die Eltern verstanden das alles nicht so gut; sie hatten sich in den
langen Jahren die Überzeugung gebildet, daß Gregor in diesem Geschäft für sein Leben
versorgt war, und hatten außerdem jetzt mit den augenblicklichen Sorgen so viel zu tun,
daß ihnen jede Voraussicht abhanden gekommen war. Aber Gregor hatte diese Voraussicht.
Der Prokurist mußte gehalten, beruhigt, überzeugt und schließlich gewonnen werden; die
Zukunft Gregors und seiner Familie hing doch davon ab! Wäre doch die Schwester hier
gewesen! Sie war klug; sie hatte schon geweint, als Gregor noch ruhig auf dem Rücken
lag. Und gewiß hätte der Prokurist, dieser Damenfreund, sich von ihr lenken lassen; sie
hätte die Wohnungstür zugemacht und ihm im Vorzimmer den Schrecken ausgeredet. Aber die
Schwester war eben nicht da, Gregor selbst mußte handeln. Und ohne daran zu denken, daß
er seine gegenwärtigen Fähigkeiten, sich zu bewegen, noch gar nicht kannte, ohne auch
daran zu denken, daß seine Rede möglicher- ja wahrscheinlicherweise wieder nicht
verstanden worden war, verließ er den Türflügel; schob sich durch die Öffnung; wollte
zum Prokuristen hingehen, der sich schon am Geländer des Vorplatzes lächerlicherweise
mit beiden Händen festhielt; fiel aber sofort, nach einem Halt suchend, mit einem
kleinen Schrei auf seine vielen Beinchen nieder. Kaum war das geschehen, fühlte er zum
erstenmal an diesem Morgen ein körperliches Wohlbehagen; die Beinchen hatten festen
Boden unter sich; sie gehorchten vollkommen, wie er zu seiner Freude merkte; strebten
sogar darnach, ihn fortzutragen, wohin er wollte; und schon glaubte er, die endgültige
Besserung alles Leidens stehe unmittelbar bevor. Aber im gleichen Augenblick, als er da
schaukelnd vor verhaltener Bewegung, gar nicht weit von seiner Mutter entfernt, ihr
gerade gegenüber auf dem Boden lag, sprang diese, die doch so ganz in sich versunken
schien, mit einemmale in die Höhe, die Arme weit ausgestreckt, die Finger gespreizt,
rief: "Hilfe, um Gottes willen Hilfe! ", hielt den Kopf geneigt, als wolle
sie Gregor besser sehen, lief aber, im Widerspruch dazu, sinnlos zurück; hatte
vergessen, daß hinter ihr der gedeckte Tisch stand; setzte sich, als sie bei ihm
angekommen war, wie in Zerstreutheit, eilig auf ihn; und schien gar nicht zu merken,
daß neben ihr aus der umgeworfenen großen Kanne der Kaffee in vollem Strome auf den
Teppich sich ergoß.
|
Gregor realized that the chief clerk must on no account be allowed to go away in this
frame of mind if his position in the firm were not to be endangered to the utmost. His
parents did not understand this so well; they had convinced themselves in the course of
years that Gregor was settled for life in this firm, and, besides, they were so
preoccupied with their immediate troubles that all foresight had forsaken them. But
Gregor had this foresight. The chief clerk must be detained, soothed, persuaded, and
finally won over; the whole future of Gregor and his family depended on it! If only his
sister were here! She was intelligent; she had begun to cry even while Gregor was still
lying quietly on his back. And no doubt the chief clerk, so partial to ladies, would
have been guided by her; she would have shut the door to the apartment and in the hall
talked him out of his horror. But she was not there, and Gregor would have to handle
the situation himself. And without remembering that he was still unaware what powers of
movement he possessed, without even remembering that his words in all possibility,
indeed in all likelihood, would again be unintelligible, he let go the wing of the
door, pushed himself through the opening, and started to walk toward the chief clerk,
who was already clinging ridiculously with both hands to the railing on the landing;
but immediately, as he was feeling for a support, he fell down with a little cry upon
all his numerous legs. Hardly was he down when he experienced for the first time this
morning a sense of physical well-being; his legs had firm ground under them; they were
completely obedient, as he noted with joy; they even strove to carry him along in
whatever direction he chose; and he was inclined to believe that a final relief from
all his sufferings was at hand. But at the same moment as he found himself on the
floor, not far from his mother, indeed just in front of her, rocking with pent-up
eagerness to move, she, who had seemed so com-pletely crushed, sprang all at once to
her feet, her arms and fingers spread wide, cried: "Help, for God's sake,
help!" bent her head down as if to see Gregor better, yet on the contrary kept
backing senselessly away; had quite forgotten that the breakfast table stood behind
her; sat down upon it abruptly and with a confused look on her face when she bumped
into it; and seemed altogether unaware that the big coffeepot beside her had been
tipped over and that coffee was gushing all over the carpet.
|
1.28
|
"Mutter, Mutter", sagte Gregor leise, und sah zu ihr hinauf. Der Prokurist
war ihm für einen Augenblick ganz aus dem Sinn gekommen; dagegen konnte er sich nicht
versagen, im Anblick des fließenden Kaffees mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu
schnappen. Darüber schrie die Mutter neuerdings auf, flüchtete vom Tisch und fiel dem
ihr entgegeneilenden Vater in die Arme. Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit für seine
Eltern; der Prokurist war schon auf der Treppe; das Kinn auf dem Geländer, sah er noch
zum letzten Male zurück. Gregor nahm einen Anlauf, um ihn möglichst sicher einzuholen;
der Prokurist mußte etwas ahnen, denn er machte einen Sprung über mehrere Stufen und
verschwand; "Huh! " aber schrie er noch, es klang durchs ganze Treppenhaus.
Leider schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den Vater, der bisher
verhältnismäßig gefaßt gewesen war, völlig zu verwirren, denn statt selbst dem
Prokuristen nachzulaufen oder wenigstens Gregor in der Verfolgung nicht zu hindern,
packte er mit der Rechten den Stock des Prokuristen, den dieser mit Hut und Überzieher
auf einem Sessel zurückgelassen hatte, holte mit der Linken eine große Zeitung vom
Tisch und machte sich unter Füßestampfen daran, Gregor durch Schwenken des Stockes und
der Zeitung in sein Zimmer zurückzutreiben. Kein Bitten Gregors half, kein Bitten wurde
auch verstanden, er mochte den Kopf noch so demütig drehen, der Vater stampfte nur
stärker mit den Füßen. Drüben hatte die Mutter trotz des kühlen Wetters ein Fenster
aufgerissen, und hinausgelehnt drückte sie ihr Gesicht weit außerhalb des Fensters in
ihre Hände. Zwischen Gasse und Treppenhaus entstand eine starke Zugluft, die
Fenstervorhänge flogen auf, die Zeitungen auf dem Tische rauschten, einzelne Blätter
wehten über den Boden hin. Unerbittlich drängte der Vater und stieß Zischlaute aus, wie
ein Wilder. Nun hatte aber Gregor noch gar keine Übung im Rückwärtsgehen, es ging
wirklich sehr langsam. Wenn sich Gregor nur hätte umdrehen dürfen, er wäre gleich in
seinem Zimmer gewesen, aber er fürchtete sich, den Vater durch die zeitraubende
Umdrehung ungeduldig zu machen, und jeden Augenblick drohte ihm doch von dem Stock in
des Vaters Hand der tödliche Schlag auf den Rücken oder auf den Kopf. Endlich aber
blieb Gregor doch nichts anderes übrig, denn er merkte mit Entsetzen, daß er im
Rückwärtsgehen nicht einmal die Richtung einzuhalten verstand; und so begann er, unter
unaufhörlichen ängstlichen Seitenblicken nach dem Vater, sich nach Möglichkeit rasch,
in Wirklichkeit aber doch nur sehr langsam umzudrehen. Vielleicht merkte der Vater
seinen guten Willen, denn er störte ihn hierbei nicht, sondern dirigierte sogar hie und
da die Drehbewegung von der Ferne mit der Spitze seines Stockes. Wenn nur nicht dieses
unerträgliche Zischen des Vaters gewesen wäre! Gregor verlor darüber ganz den Kopf. Er
war schon fast ganz umgedreht, als er sich, immer auf dieses Zischen horchend, sogar
irrte und sich wieder ein Stück zurückdrehte. Als er aber endlich glücklich mit dem
Kopf vor der Türöffnung war, zeigte es sich, daß sein Körper zu breit war, um ohne
weiteres durchzukommen. Dem Vater fiel es natürlich in seiner gegenwärtigen Verfassung
auch nicht entfernt ein, etwa den anderen Türflügel zu öffnen, um für Gregor einen
genügenden Durchgang zu schaffen. Seine fixe Idee war bloß, daß Gregor so rasch als
möglich in sein Zimmer müsse. Niemals hätte er auch die umständlichen Vorbereitungen
gestattet, die Gregor brauchte, um sich aufzurichten und vielleicht auf diese Weise
durch die Tür zu kommen. Vielmehr trieb er, als gäbe es kein Hindernis, Gregor jetzt
unter besonderem Lärm vorwärts; es klang schon hinter Gregor gar nicht mehr wie die
Stimme bloß eines einzigen Vaters; nun gab es wirklich keinen Spaß mehr, und Gregor
drängte sich – geschehe was wolle – in die Tür. Die eine Seite seines Körpers hob sich,
er lag schief in der Türöffnung, seine eine Flanke war ganz wundgerieben, an der weißen
Tür blieben häßliche Flecken, bald steckte er fest und hätte sich allein nicht mehr
rühren können, die Beinchen auf der einen Seite hingen zitternd oben in der Luft, die
auf der anderen waren schmerzhaft zu Boden gedrückt – da gab ihm der Vater von hinten
einen jetzt wahrhaftig erlösenden starken Stoß, und er flog, heftig blutend, weit in
sein Zimmer hinein. Die Tür wurde noch mit dem Stock zugeschlagen, dann war es endlich
still.
|
"Mother, Mother," said Gregor in a low voice, and looked up at her. The chief
clerk had for the moment quite slipped from his mind; instead, he could not resist
snapping his jaws together a couple of times at the sight of the streaming coffee. That
made his mother scream again; she fled from the table and fell into the arms of his
father, who rushed to catch her. But Gregor had no time now to spare for his parents;
the chief clerk was already on the stairs; with his chin on thc banister he was taking
one last backward look. Gregor made a dash forward, to be as sure as possible of
overtaking him; the chief clerk must have suspected what he was up to, for he leaped
down several steps at once and vanished. "Aieee!" he yelled; it was the last
sound heard from him, and it echoed through the whole stairwell. Unfortunately,
the flight of the chief clerk seemed completely to unhinge Gregor's father, who had
remained relatively calm until now, for instead of running after the man himself, or at
least not hindering Gregor in his pursuit, he seized in his right hand the walking
stick that the chief clerk had left behind on a chair, together with his hat and
overcoat, snatched in his left hand a large newspaper from the table, and began
stamping his feet and flourishing the cane and the newspaper to drive Gregor back into
his room. No entreaty of Gregor's was of any use, indeed no entreaty was even
understood; no matter how humbly he inclined his head his father only stamped on the
floor the more forcefully. Over there his mother had thrown open a window, despite the
cold weather, and was leaning far out of it with her face in her hands. A powerful
draft set in from the street to the staircase, the window curtains blew in, the
newspa-pers on the table fluttered, stray pages sailed across the floor. Pitilessly
Gregor's father drove him back, making hissing sounds like a savage. But Gregor had had
no practice yet in walking backward, it really was a slow business. If only he had a
chance to turn around he could get back to his room at once, but he was afraid of
exasperating his father with such a time-consuming maneuver and at any moment the stick
in his father's hand might strike him a fatal blow on the back or the head. In the end,
however nothing else was left for him to do since to his horror he realized that in
moving backward he could not even control the direction he took; and so, keeping an
anxious eye on his father all the time over his shoulder, he began to turn around as
quickly as he could, which was in reality very slowly. Perhaps his father noticed his
good intentions, for he did not interfere; instead, every now and then he even directed
the maneuver like a conduc-tor from a distance with the point of the stick. If only he
would stop making that unbearable hissing noise! It drove Gregor out of his mind. By
the time he managed to turn almost completely around, the hissing noise so distracted
him that he even turned a little too far. But when he finally succeeded in getting his
head right up in front of the doorway, it was clear that his body was too broad to fit
easily through the opening. His father, of course, in his present mood was far from
thinking of such a thing as opening the other half of the door, to let Gregor have
enough space. The only thought in his head was that Gregor should get back into his
room as quickly as possible. He would never have allowed Gregor to make the complicated
preparations needed for standing upright again and perhaps slipping through the door
that way. On the contrary, the father was now making more noise than ever in an effort
to drive Gregor forward, as if there were no obstacle in the way at all; to Gregor,
though, the noise at his rear no longer sounded like the voice of one single father;
this was really no joke, and Gregor thrust himself - come what might - into the
doorway. One side of his body rose up, he was tilted at an angle in the doorway, his
flank was scraped raw; horrid blotches stained the white door, soon he was stuck fast
and, left to himself, could not have moved at all; his little legs on one side
fluttered trembling in the air, those on the other were crushed painfully to the
floor - when from behind his father gave him a strong push which was literally a
deliver-ance and he flew far into the room, bleeding violently. The door was slammed
behind him with the stick, and then at last there was silence.
|
1.29
|
|
2
|
Erst in der Abenddämmerung erwachte Gregor aus seinem schweren ohnmachtsähnlichen
Schlaf. Er wäre gewiß nicht viel später auch ohne Störung erwacht, denn er fühlte sich
genügend ausgeruht und ausgeschlafen, doch schien es ihm, als hätte ihn ein flüchtiger
Schritt und ein vorsichtiges Schließen der zum Vorzimmer führenden Tür geweckt. Der
Schein der elektrischen Straßenlampen lag bleich hier und da auf der Zimmerdecke und
auf den höheren Teilen der Möbel, aber unten bei Gregor war es finster. Langsam schob
er sich, noch ungeschickt mit seinen Fühlern tastend, die er erst jetzt schätzen
lernte, zur Türe hin, um nachzusehen, was dort geschehen war. Seine linke Seite schien
eine einzige lange, unangenehm spannende Narbe und er mußte auf seinen zwei Beinreihen
regelrecht hinken. Ein Beinchen war übrigens im Laufe der vormittägigen Vorfälle schwer
verletzt worden – es war fast ein Wunder, daß nur eines verletzt worden war – und
schleppte leblos nach.
|
Not until it was twilight did Gregor awake out of a deep sleep, more like a swoon than
a sleep. He would certainly have awoken of his own accord not much later, for he felt
himself sufficiently well rested, but it seemed to him as if a fleeting step and a
cautious shutting of the door leading into the hall had aroused him. The electric
lights in the street cast a pale sheen here and there on the ceiling and the upper
surfaces of the furniture, but down below, where he lay, it was dark. Slowly, awkwardly
trying out his feelers, which he now first learned to appreciate, he pushed his way to
the door to see what had been happening there. His left side felt like one single long,
unpleasantly tense scar, and he had actually to limp on his two rows of legs. One
little leg, moreover, had been severely damaged in the course of that morning's
events - it was almost a miracle that only one had been damaged - and trailed
uselessly behind him.
|
2.1
|
Erst bei der Tür merkte er, was ihn dorthin eigentlich gelockt hatte; es war der Geruch
von etwas Eßbarem gewesen. Denn dort stand ein Napf mit süßer Milch gefüllt, in der
kleine Schnitten von Weißbrot schwammen. Fast hätte er vor Freude gelacht, denn er
hatte noch größeren Hunger, als am Morgen, und gleich tauchte er seinen Kopf fast bis
über die Augen in die Milch hinein. Aber bald zog er ihn enttäuscht wieder zurück;
nicht nur, daß ihm das Essen wegen seiner heiklen linken Seite Schwierigkeiten machte –
und er konnte nur essen, wenn der ganze Körper schnaufend mitarbeitete –, so schmeckte
ihm überdies die Milch, die sonst sein Lieblingsgetränk war, und die ihm gewiß die
Schwester deshalb hereingestellt hatte, gar nicht, ja er wandte sich fast mit
Widerwillen von dem Napf ab und kroch in die Zimmermitte zurück.
|
He had reached the door before he discovered what had really drawn him to it: the smell
of food. For there stood a bowl filled with fresh milk in which floated little slices
of white bread. He could almost have laughed with joy, since he was now far hungrier
than in the morning, and he dipped his head almost up to his eyes in the milk. But soon
in disappointment he withdrew it again; not only did he find it difficult to eat
because of his tender left side - and he could only eat with the cooperation of his
whole snorting body - he did not like the milk either, although milk had been his
favorite drink and that was certainly why his sister had set it there for him; indeed
it was almost with repulsion that he turned away from the bowl and crawled back to the
middle of the room.
|
2.2
|
Im Wohnzimmer war, wie Gregor durch die Türspalte sah, das Gas angezündet, aber während
sonst zu dieser Tageszeit der Vater seine nachmittags erscheinende Zeitung der Mutter
und manchmal auch der Schwester mit erhobener Stimme vorzulesen pflegte, hörte man
jetzt keinen Laut. Nun vielleicht war dieses Vorlesen, von dem ihm die Schwester immer
erzählte und schrieb, in der letzten Zeit überhaupt aus der Übung gekommen. Aber auch
ringsherum war es so still, trotzdem doch gewiß die Wohnung nicht leer war. "Was
für ein stilles Leben die Familie doch führte", sagte sich Gregor und fühlte,
während er starr vor sich ins Dunkle sah, einen großen Stolz darüber, daß er seinen
Eltern und seiner Schwester ein solches Leben in einer so schönen Wohnung hatte
verschaffen können. Wie aber, wenn jetzt alle Ruhe, aller Wohlstand, alle Zufriedenheit
ein Ende mit Schrecken nehmen sollte? Um sich nicht in solche Gedanken zu verlieren,
setzte sich Gregor lieber in Bewegung und kroch im Zimmer auf und ab.
|
He could see through the crack of the door that the gas was turned on in the living
room, but while usually at this time his father made a habit of reading the afternoon
newspaper in a loud voice to his mother and occasionally to his sister as well, not a
sound was now to be heard. Well, perhaps his father had recently given up this habit of
reading aloud, which his sister had mentioned so often in conversation and in her
letters. But there was the same silence all around, although the apartment was
certainly not empty of occupants. "What a quiet life our family leads," said
Gregor to himself, and as he sat there motionless staring into the darkness he felt
great pride in the fact that he had been able to provide such a life for his parents
and sister in such a fine apartment. But what if all the quiet, the comfort, the
contentment were now to end in horror? To keep himself from being lost in such thoughts
Gregor took refuge in movement and crawled back and forth in the room.
|
2.3
|
Einmal während des langen Abends wurde die eine Seitentüre und einmal die andere bis zu
einer kleinen Spalte geöffnet und rasch wieder geschlossen; jemand hatte wohl das
Bedürfnis hereinzukommen, aber auch wieder zuviele Bedenken. Gregor machte nun
unmittelbar bei der Wohnzimmertür halt, entschlossen, den zögernden Besucher doch
irgendwie hereinzubringen oder doch wenigstens zu erfahren, wer es sei; aber nun wurde
die Tür nicht mehr geöffnet und Gregor wartete vergebens. Früh, als die Türen versperrt
waren, hatten alle zu ihm hereinkommen wollen, jetzt, da er die eine Tür geöffnet hatte
und die anderen offenbar während des Tages geöffnet worden waren, kam keiner mehr, und
die Schlüssel steckten nun auch von außen.
|
Once during the long evening one of the side doors was opened a little and quickly
shut again, later the other side door too; someone had apparently wanted to come in and
then thought better of it. Gregor now stationed himself immediately before the living room
door, determined to persuade any hesitating visitor to come in or at least to discover who
it might be; but the door was not opened again and he waited in vain. In the early
morning, when the doors were locked, they had all wanted to come in, now that he had
opened one door and the others had apparently been opened during the day, no one came in
and even the keys were on the other side of the doors.
|
2.4
|
Spät erst in der Nacht wurde das Licht im Wohnzimmer ausgelöscht, und nun war leicht
festzustellen, daß die Eltern und die Schwester so lange wachgeblieben waren, denn wie
man genau hören konnte, entfernten sich jetzt alle drei auf den Fußspitzen. Nun kam
gewiß bis zum Morgen niemand mehr zu Gregor herein; er hatte also eine lange Zeit, um
ungestört zu überlegen, wie er sein Leben jetzt neu ordnen sollte. Aber das hohe freie
Zimmer, in dem er gezwungen war, flach auf dem Boden zu liegen, ängstigte ihn, ohne daß
er die Ursache herausfinden konnte, denn es war ja sein seit fünf Jahren von ihm
bewohntes Zimmer – und mit einer halb unbewußten Wendung und nicht ohne eine leichte
Scham eilte er unter das Kanapee, wo er sich, trotzdem sein Rücken ein wenig gedrückt
wurde und trotzdem er den Kopf nicht mehr erheben konnte, gleich sehr behaglich fühlte
und nur bedauerte, daß sein Körper zu breit war, um vollständig unter dem Kanapee
untergebracht zu werden.
|
It was late at night before the gaslights were extinguished in the living room, and
Gregor could easily tell that his parents and his sister had all stayed awake until
then, for he could clearly hear the three of them stealing away on tiptoe. No one was
likely to visit him, not until the morning, that was certain; so he had plenty of time
to meditate at his leisure on how he was to rearrange his life. But the lofty, empty
room in which he had to lie flat on the floor filled him with an apprehension he could
not account for, since it had been his very own room for the past five years - and
half-unconsciously, not without a slight feeling of shame, he turned from the door and
scuttled under the sofa, where he felt comfortable at once, although his back was a
little cramped and he could not lift his head up, and his only regret was that his body
was too broad to get all of it under the sofa.
|
2.5
|
Dort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf, aus dem ihn der Hunger
immer wieder aufschreckte, verbrachte, zum Teil aber in Sorgen und undeutlichen
Hoffnungen, die aber alle zu dem Schlusse führten, daß er sich vorläufig ruhig
verhalten und durch Geduld und größte Rücksichtnahme der Familie die Unannehmlichkeiten
erträglich machen müsse, die er ihr in seinem gegenwärtigen Zustand nun einmal zu
verursachen gezwungen war.
|
He stayed there all night, spending the time partly in a light slumber, from which his
hunger kept waking him up with a start, and partly in worrying and sketching vague
hopes, which all led to the same conclusion, that he must lie low for the present and,
by exercising patience and the utmost consideration, help the family to bear the
inconvenience he was bound to cause them in his present condition.
|
2.6
|
Schon am frühen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor Gelegenheit, die Kraft
seiner eben gefaßten Entschlüsse zu prüfen, denn vom Vorzimmer her öffnete die
Schwester, fast völlig angezogen, die Tür und sah mit Spannung herein. Sie fand ihn
nicht gleich, aber als sie ihn unter dem Kanapee bemerkte – Gott, er mußte doch
irgendwo sein, er hatte doch nicht wegfliegen können – erschrak sie so sehr, daß sie,
ohne sich beherrschen zu können, die Tür von außen wieder zuschlug. Aber als bereue sie
ihr Benehmen, öffnete sie die Tür sofort wieder und trat, als sei sie bei einem
Schwerkranken oder gar bei einem Fremden, auf den Fußspitzen herein. Gregor hatte den
Kopf bis knapp zum Rande des Kanapees vorgeschoben und beobachtete sie. Ob sie wohl
bemerken würde, daß er die Milch stehen gelassen hatte, und zwar keineswegs aus Mangel
an Hunger, und ob sie eine andere Speise hereinbringen würde, die ihm besser entsprach?
Täte sie es nicht von selbst, er wollte lieber verhungern, als sie darauf aufmerksam
machen, trotzdem es ihn eigentlich ungeheuer drängte, unterm Kanapee vorzuschießen,
sich der Schwester zu Füßen zu werfen und sie um irgendetwas Gutes zum Essen zu bitten.
Aber die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den noch vollen Napf, aus dem nur
ein wenig Milch ringsherum verschüttet war, sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit den
bloßen Händen, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hinaus. Gregor war äußerst
neugierig, was sie zum Ersatze bringen würde, und er machte sich die
verschiedensten Gedanken darüber. Niemals aber hätte er erraten können, was die
Schwester in ihrer Güte wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen Geschmack zu prüfen,
eine ganze Auswahl, alles auf einer alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes
halbverfaultes Gemüse; Knochen vom Nachtmahl her, die von festgewordener weißer Sauce
umgeben waren; ein paar Rosinen und Mandeln; ein Käse, den Gregor vor zwei Tagen für
ungenießbar erklärt hatte; ein trockenes Brot, ein mit Butter beschmiertes Brot und ein
mit Butter beschmiertes und gesalzenes Brot. Außerdem stellte sie zu dem allen noch den
wahrscheinlich ein für allemal für Gregor bestimmten Napf, in den sie Wasser gegossen
hatte. Und aus Zartgefühl, da sie wußte, daß Gregor vor ihr nicht essen würde,
entfernte sie sich eiligst und drehte sogar den Schlüssel um, damit nur Gregor merken
könne, daß er es sich so behaglich machen dürfe, wie er wolle. Gregors Beinchen
schwirrten, als es jetzt zum Essen ging. Seine Wunden mußten übrigens auch schon
vollständig geheilt sein, er fühlte keine Behinderung mehr, er staunte darüber und
dachte daran, wie er vor mehr als einem Monat sich mit dem Messer ganz wenig in den
Finger geschnitten, und wie ihm diese Wunde noch vorgestern genug wehgetan hatte.
"Sollte ich jetzt weniger Feingefühl haben?" dachte er und saugte schon
gierig an dem Käse, zu dem es ihn vor allen anderen Speisen sofort und nachdrücklich
gezogen hatte. Rasch hintereinander und mit vor Befriedigung tränenden Augen verzehrte
er den Käse, das Gemüse und die Sauce; die frischen Speisen dagegen schmeckten ihm
nicht, er konnte nicht einmal ihren Geruch vertragen und schleppte sogar die Sachen,
die er essen wollte, ein Stückchen weiter weg. Er war schon längst mit allem fertig und
lag nur noch faul auf der gleichen Stelle, als die Schwester zum Zeichen, daß er sich
zurückziehen solle, langsam den Schlüssel umdrehte. Das schreckte ihn sofort auf,
trotzdem er schon fast schlummerte, und er eilte wieder unter das Kanapee. Aber es
kostete ihn große Selbstüberwindung, auch nur die kurze Zeit, während welcher die
Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee zu bleiben, denn von dem reichlichen Essen
hatte sich sein Leib ein wenig gerundet und er konnte dort in der Enge kaum atmen.
Unter kleinen Erstickungsanfallen sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie die
nichtsahnende Schwester mit einem Besen nicht nur die Überbleibsel zusammenkehrte,
sondern selbst die von Gregor gar nicht berührten Speisen, als seien also auch diese
nicht mehr zu gebrauchen, und wie sie alles hastig in einen Kübel schüttete, den sie
mit einem Holzdeckel schloß, worauf sie alles hinaustrug. Kaum hatte sie sich
umgedreht, zog sich schon Gregor unter dem Kanapee hervor und streckte und blähte sich.
|
Very early in the morning - it was still almost night - Gregor had the chance to
test the strength of his new resolutions, for his sister, nearly fully dressed, opened
the door from the hall and peered in apprehensively. She did not see him at once, yet
when she caught sight of him under the sofa - well, he had to be somewhere, he
couldn't have flown away, could he? - she was so startled that without being able to
help it she slammed the door shut again. But as if regretting her behavior she opened
the door again immediately and came in on tiptoe, as if she were visiting an invalid or
even a stranger. Gregor had pushed his head forward to the very edge of the sofa and
watched her. Would she notice that he had left the milk standing, and not for lack of
hunger, and would she bring in some other kind of food more to his taste? If she did
not do it of her own accord, he would rather starve than draw her attention to the
fact, although he felt a wild impulse to dart out from under the sofa, throw himself at
her feet, and beg her for something to eat. But his sister at once noticed, with
surprise, that the bowl was still full, except for a little milk that had been spilled
all around it, she lifted it immediately, not with her bare hands, true, but with a
cloth and carried it away. Gregor was extremely curious to know what she would bring
instead, and imagined all sorts of possibilities. Yet what she actually did next, in
the goodness of her heart, he could never have guessed. To find out what he liked she
brought him a whole selection of food, all set out on an old newspaper. There were old,
half decayed vegetables, bones from last night's supper covered with a white sauce that
had congealed, some raisins and almonds; a piece of cheese that Gregor would have
pronounced inedible two days ago; a plain piece of bread, a buttered piece, and a piece
both buttered and salted. Besides all that, she set down again the same bowl, into
which she had poured some water, and which was apparently to be reserved for his
exclusive use. And with great tact, knowing that Gregor would not eat in her presence,
she withdrew quickly and even turned the key, to let him understand that he could make
himself as comfortable as he liked. Gregor's little legs all whirred in his rush to get
to the food. His wounds must have healed completely, moreover, for he no longer felt
incapacitated, which amazed him and made him reflect how more than a month ago he had
cut one finger a little with a knife and was still suffering from the wound only the
day before yesterday. Might it be that I am less sensitive now? he thought, and sucked
greedily at the cheese, which more than any of the other delicacies attracted him at
once, and strongly. One after another, and with tears of satisfaction in his eyes, he
quickly devoured the cheese, the vegetables, and the sauce; the fresh food, on the
other hand, had no charm for him, he could not even stand the smell of it and actually
dragged away to some little distance the things he wanted to eat. He had long since
finished his meal and was only lying lazily on the same spot when his sister turned the
key slowly as a sign for him to retreat. That roused him at once, although he was
nearly asleep, and he hurried under the sofa again. But it took considerable
self-control for him to stay under the sofa, even for the short time his sister was in
the room, since the large meal had swollen his body somewhat and he was so cramped he
could hardly breathe. Slight attacks of breathlessness afflicted him and his eyes were
bulging a little from their sockets as he watched his unsuspecting sister sweeping
together with a broom not only the remains of what he had eaten but even the things he
had not touched, as if these were now of no use to anyone, and hastily shoveling it all
into a bucket, which she covered with a wooden lid and carried away. Hardly had she
turned her back when Gregor came from under the sofa and stretched and puffed himself
out.
|
2.7
|
Auf diese Weise bekam nun Gregor täglich sein Essen, einmal am Morgen, wenn die Eltern
und das Dienstmädchen noch schliefen, das zweitemal nach dem allgemeinen Mittagessen,
denn dann schliefen die Eltern gleichfalls noch ein Weilchen, und das Dienstmädchen
wurde von der Schwester mit irgendeiner Besorgung weggeschickt. Gewiß wollten auch sie
nicht, daß Gregor verhungere, aber vielleicht hätten sie es nicht ertragen können, von
seinem Essen mehr als durch Hörensagen zu erfahren, vielleicht wollte die Schwester
ihnen auch eine möglicherweise nur kleine Trauer ersparen, denn tatsächlich litten sie
ja gerade genug.
|
In this manner Gregor was fed, once in the early morning while his parents and the maid
were still asleep, and a second time after they had all had their midday meal, for then
his parents took a short nap and the girl could be sent out on some errand or other by
his sister. Not that they would have wanted him to starve, of course, but perhaps they
could not have endured learning more about his feeding than from hearsay; perhaps too
his sister wanted to spare them such little anxieties wherever possible, since they had
quite enough to bear as it was.
|
2.8
|
Mit welchen Ausreden man an jenem ersten Vormittag den Arzt und den Schlosser wieder
aus der Wohnung geschafft hatte, konnte Gregor gar nicht erfahren, denn da er nicht
verstanden wurde, dachte niemand daran, auch die Schwester nicht, daß er die Anderen
verstehen könne, und so mußte er sich, wenn die Schwester in seinem Zimmer war, damit
begnügen, nur hier und da ihre Seufzer und Anrufe der Heiligen zu hören. Erst später,
als sie sich ein wenig an alles gewöhnt hatte – von vollständiger Gewöhnung konnte
natürlich niemals die Rede sein –, erhaschte Gregor manchmal eine Bemerkung, die
freundlich gemeint war oder so gedeutet werden konnte. "Heute hat es ihm aber
geschmeckt", sagte sie, wenn Gregor unter dem Essen tüchtig aufgeräumt hatte,
während sie im gegenteiligen Fall, der sich allmählich immer häufiger wiederholte, fast
traurig zu sagen pflegte: "Nun ist wieder alles stehengeblieben".
|
Under what pretext the doctor and the locksmith had been gotten rid of on that first
morning Gregor could not discover, for since what he said was not understood by the
others it never occurred to any of them, not even his sister, that he could understand
what they said, and so whenever his sister came into his room he had to content himself
with hearing her utter only a sigh now and then and an occasional appeal to the saints.
Later on, when she had gotten a little used to the situation - of course she could
never get completely used to it - Gregor would occasionally catch a re-mark which
was kindly meant or could be so interpreted. "Well, he liked his dinner
today," she would say when Gregor had gobbled down all of his food; and when he
had not eaten, which gradually happened more and more often, she would say almost
sadly: "Everything's been left untouched again."
|
2.9
|
Während aber Gregor unmittelbar keine Neuigkeit erfahren konnte, erhorchte er manches
aus den Nebenzimmern, und wo er nur einmal Stimmen hörte, lief er gleich zu der
betreffenden Tür und drückte sich mit ganzem Leib an sie. Besonders in der ersten Zeit
gab es kein Gespräch, das nicht irgendwie, wenn auch nur im geheimen, von ihm handelte.
Zwei Tage lang waren bei allen Mahlzeiten Beratungen darüber zu hören, wie man sich
jetzt verhalten solle; aber auch zwischen den Mahlzeiten sprach man über das gleiche
Thema, denn immer waren zumindest zwei Familienmitglieder zu Hause, da wohl niemand
allein zu Hause bleiben wollte und man die Wohnung doch auf keinen Fall gänzlich
verlassen konnte. Auch hatte das Dienstmädchen gleich am ersten Tag – es war nicht ganz
klar, was und wieviel sie von dem Vorgefallenen wußte – kniefällig die Mutter gebeten,
sie sofort zu entlassen, und als sie sich eine Viertelstunde danach verabschiedete,
dankte sie für die Entlassung unter Tränen, wie für die größte Wohltat, die man ihr
hier erwiesen hatte, und gab, ohne daß man es von ihr verlangte, einen fürchterlichen
Schwur ab, niemandem auch nur das Geringste zu verraten.
|
But although Gregor could get no news directly, he overheard a lot from the neighboring
rooms, and as soon as voices were audible, he would run to the door of whichever room
it was and press his whole body against it. In the first few days especially there was
no conversation that did not concern him somehow, even if only indirectly. For two
whole days there were family consultations at every mealtime about what should be done;
but also between meals the same subject was discussed, for there were always at least
two members of the family at home, since no one wanted to be alone in the apartment and
to leave it altogether empty was unthinkable. And on the very first of these days the
cook - it was not quite clear what and how much she knew of the situation - fell
on her knees before his mother and begged permission to leave, and when she departed a
quarter of an hour later gave thanks for her release with tears in her eyes as if this
were the greatest blessing that could ever be conferred on her, and without any
prompting swore a solemn oath that she would never say a single word to anyone about
what had happened.
|
2.10
|
Nun mußte die Schwester im Verein mit der Mutter auch kochen; allerdings machte das
nicht viel Mühe, denn man aß fast nichts. Immer wieder hörte Gregor, wie der eine den
anderen vergebens zum Essen aufforderte und keine andere Antwort bekam, als:
"Danke, ich habe genug" oder etwas Ähnliches. Getrunken wurde vielleicht auch
nichts. Öfters fragte die Schwester den Vater, ob er Bier haben wolle, und herzlich
erbot sie sich, es selbst zu holen, und als der Vater schwieg, sagte sie, um ihm jedes
Bedenken zu nehmen, sie könne auch die Hausmeisterin darum schicken, aber dann sagte
der Vater schließlich ein großes "Nein", und es wurde nicht mehr davon
gesprochen.
|
Now Gregor's sister had to do the cooking too with her mother's help; true, this
did not amount to much, for they ate scarcely anything. Gregor was always hearing one of
the family vainly urging another to eat and getting no answer but "Thanks, I've had
all I want," or something similar. Nor did they seem to be drinking anything either.
Time and again his sister kept asking his father if he wouldn't like some beer and kindly
offered to go and fetch it herself, and when he didn't answer suggested that she could ask
the concierge to fetch it, so that he need feel no sense of obligation, but then a loud
"No" came from his father and no more was said about it.
|
2.11
|
Schon im Laufe des ersten Tages legte der Vater die ganzen Vermögensverhältnisse und
Aussichten sowohl der Mutter, als auch der Schwester dar. Hie und da stand er vom
Tische auf und holte aus seiner kleinen Wertheimkassa, die er aus dem vor fünf Jahren
erfolgten Zusammenbruch seines Geschäftes gerettet hatte, irgendeinen Beleg oder
irgendein Vormerkbuch. Man hörte, wie er das komplizierte Schloß aufsperrte und nach
Entnahme des Gesuchten wieder verschloß. Diese Erklärungen des Vaters waren zum Teil
das erste Erfreuliche, was Gregor seit seiner Gefangenschaft zu hören bekam. Er war der
Meinung gewesen, daß dem Vater von jenem Geschäft her nicht das Geringste
übriggeblieben war, zumindest hatte ihm der Vater nichts Gegenteiliges gesagt, und
Gregor allerdings hatte ihn auch nicht darum gefragt. Gregors Sorge war damals nur
gewesen, alles daranzusetzen, um die Familie das geschäftliche Unglück, das alle in
eine vollständige Hoffnungslosigkeit gebracht hatte, möglichst rasch vergessen zu
lassen. Und so hatte er damals mit ganz besonderem Feuer zu arbeiten angefangen und war
fast über Nacht aus einem kleinen Kommis ein Reisender geworden, der natürlich ganz
andere Möglichkeiten des Geldverdienens hatte, und dessen Arbeitserfolge sich sofort in
Form der Provision zu Bargeld verwandelten, das der erstaunten und beglückten Familie
zu Hause auf den Tisch gelegt werden konnte. Es waren schöne Zeiten gewesen, und
niemals nachher hatten sie sich, wenigstens in diesem Glanze, wiederholt, trotzdem
Gregor später so viel Geld verdiente, daß er den Aufwand der ganzen Familie zu tragen
imstande war und auch trug. Man hatte sich eben daran gewöhnt, sowohl die Familie, als
auch Gregor, man nahm das Geld dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere
Wärme wollte sich nicht mehr ergeben. Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe
geblieben, und es war sein geheimer Plan, sie, die zum Unterschied von Gregor Musik
sehr liebte und rührend Violine zu spielen verstand, nächstes Jahr, ohne Rücksicht auf
die großen Kosten, die das verursachen mußte, und die man schon auf andere Weise
hereinbringen würde, auf das Konservatorium zu schicken. Öfters während der kurzen
Aufenthalte Gregors in der Stadt wurde in den Gesprächen mit der Schwester das
Konservatorium erwähnt, aber immer nur als schöner Traum, an dessen Verwirklichung
nicht zudenken war, und die Eltern hörten nicht einmal diese unschuldigen Erwähnungen
gern; aber Gregor dachte sehr bestimmt daran und beabsichtigte, es am Weihnachtsabend
feierlich zu erklären.
|
In the course of that very first day Gregor's father explained the family's financial
position and prospects to both his mother and his sister. Now and then he rose from the
table to get some document or notebook out of the small safe he had rescued from the
collapse of his business five years earlier. One could hear him opening the complicated
lock and taking papers out and shutting it again. These explanations were the first
cheerful information Gregor had heard since his imprisonment. He had been of the
opinion that nothing at all was left over from his father's business, at least his
father had never said anything to the contrary, and of course he had not asked him
directly. At that time Gregor's sole desire was to do his utmost to help the family to
forget as soon as possible the catastrophe that had overwhelmed the business and thrown
them all into a state of complete despair. And so he had set to work with unusual ardor
and almost overnight had become a traveling salesman instead of a little clerk, with of
course much greater chances of earning money, and his success was immediately
transformed into hard cash which he could lay on the table before his amazed and happy
family. These had been fine times, and they had never recurred, at least not with the
same sense of glory, although later on Gregor had earned so much money that he was able
to meet the expenses of the whole household and did so. They had simply gotten used to
it, both the family and Gregor; the money was gratefully accepted and gladly given, but
there was no special outpouring of warm feeling. With his sister alone had he remained
intimate, and it was a secret plan of his that she, who, unlike himself, loved music
and could play the violin movingly, should be sent next year to study at the
Conservatory, despite the great expense that would entail and which would have to be
made up in some other way. During his brief visits home the Conservatory was often
mentioned in the talks he had with his sister, but always merely as a beautiful dream
which could never come true, and his parents discouraged even these innocent references
to it; yet Gregor had made up his mind firmly about it and meant to announce the fact
with due solemnity on Christmas Day.
|
2.12
|
Solche in seinem gegenwärtigen Zustand ganz nutzlose Gedanken gingen ihm durch den
Kopf, während er dort aufrecht an der Türe klebte und horchte. Manchmal konnte er vor
allgemeiner Müdigkeit gar nicht mehr zuhören und ließ den Kopf nachlässig gegen die Tür
schlagen, hielt ihn aber sofort wieder fest, denn selbst das kleine Geräusch, das er
damit verursacht hatte, war nebenan gehört worden und hatte alle verstummen lassen.
"Was er nur wieder treibt", sagte der Vater nach einer Weile, offenbar zur
Türe hingewendet, und dann erst wurde das unterbrochene Gespräch allmählich wieder
aufgenommen.
|
Such were the thoughts, completely futile in his present condition, that went
through his head as he stood glued upright to the door and listening. Sometimes out of
sheer weariness he could no longer pay attention and accidentally let his head fall
against the door, but he always pulled himself together again at once, for even the slight
sound his head made was audible next door and brought all conversation to a stop.
"What can he be doing now?" his father would say after a while, obviously
turning toward the door, and only then would the interrupted conversation gradually start
up again.
|
2.13
|
Gregor erfuhr nun zur
Genüge – denn der Vater pflegte sich in seinen Erklärungen öfters
zu wiederholen, teils, weil er selbst sich mit diesen Dingen schon lange
nicht beschäftigt hatte, teils auch, weil die Mutter nicht alles gleich
beim ersten Mal verstand –, daß trotz allen Unglücks ein allerdings
ganz kleines Vermögen aus der alten Zeit noch vorhanden war, das die
nicht angerührten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig hatten anwachsen
lassen. Außerdem aber war das Geld, das Gregor allmonatlich nach Hause
gebracht hatte – er selbst hatte nur ein paar Gulden für sich
behalten –, nicht vollständig aufgebraucht worden und hatte sich zu
einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner Türe, nickte
eifrig, erfreut über diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit.
Eigentlich hätte er ja mit diesen überschüssigen Geldern die Schuld
des Vaters gegenüber dem Chef weiter abgetragen haben können, und
jener Tag, an dem er diesen Posten hätte loswerden können, wäre weit
näher gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es der Vater
eingerichtet hatte. Nun genügte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um
die Familie etwa von den Zinsen leben zu lassen; es genügte vielleicht,
um die Familie ein, höchstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es
nicht. Es war also bloß eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen
durfte, und die für den Notfall zurückgelegt werden mußte; das Geld
zum Leben aber mußte man verdienen. Nun war aber der Vater ein zwar
gesunder, aber alter Mann, der schon fünf Jahre nichts gearbeitet hatte
und sich jedenfalls nicht viel zutrauen durfte; er hatte in diesen fünf
Jahren, welche die ersten Ferien seines mühevollen und doch erfolglosen
Lebens waren, viel Fett angesetzt und war dadurch recht schwerfällig
geworden. Und die alte Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die
an Asthma litt, der eine Wanderung durch die Wohnung schon Anstrengung
verursachte, und die jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sopha
beim offenen Fenster verbrachte? Und die Schwester sollte Geld
verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre
bisherige Lebensweise so sehr zu gönnen war, die daraus bestanden
hatte, sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft
mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergnügungen sich zu beteiligen
und vor allem Violine zu spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit
des Geldverdienens kam, ließ zuerst immer Gregor die Türe los und warf
sich auf das neben der Tür befindliche kühle Ledersopha, denn ihm war
ganz heiß vor Beschämung und Trauer.
|
Gregor was now informed as amply as he could
wish - for his father tended to repeat himself in his explanations, partly because it
was a long time since he had dealt with such matters and partly because his mother could
not always grasp things at once - that a certain amount of money, not all that much
really, had survived the wreck of their fortunes and had even increased a little because
the dividends had not been touched meanwhile. And besides that, the money Gregor brought
home every month - he had kept only a few thalers for himself - had never been quite
used up and now amounted to a substantial sum. Behind the door Gregor nodded his head
eagerly, delighted by this evidence of unexpected thrift and foresight. True, he could
really have paid off some more of his father's debts to the head of his firm with this
extra money, and thus brought much nearer the day on which he could quit his job, but
doubtless it was better the way his father had arranged it.
Yet this capital was by no means sufficient to let the family live on the interest
from it; for one year, perhaps, or at the most two, they could live on the principal, that
was all. It was simply a sum that ought not to be touched and should be kept for a rainy
day; money for living expenses would have to be earned. Now his father was still healthy
enough but an old man, and he had done no work for the past five years and could not be
expected to exert himself; during these five years, the first years of leisure in his
laborious though unsuccessful life, he had put on a lot of weight and become sluggish. And
Gregor's old mother, how was she to earn a living with her asthma, which troubled her even
when she walked through the apartment and kept her lying on a sofa every other day panting
for breath beside an open window? And was his sister to earn her bread, she who was still
a child of seventeen and whose life hitherto had been so pleasant, consisting as it did in
dressing herself nicely, sleeping long, helping with the housework, going out to a few
modest entertainments, and above all playing the violin? At first whenever the need for
earning money was mentioned Gregor let go of the door and threw himself down on the cool
leather sofa beside it, he felt so hot with shame and grief.
|
2.14
|
Oft lag er dort
die ganzen langen Nächte über, schlief keinen Augenblick und scharrte nur
stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die große Mühe, einen
Sessel zum Fenster zu schieben, dann die Fensterbrüstung
hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt, sich ans Fenster zu
lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das Befreiende, das früher
für ihn darin gelegen war, aus dem Fenster zu schauen. Denn tatsächlich
sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig entfernten Dinge immer
undeutlicher; das gegenüberliegende Krankenhaus, dessen nur allzu häufigen
Anblick er früher verflucht hatte, bekam er überhaupt nicht mehr zu
Gesicht, und wenn er nicht genau gewußt hätte, daß er in der stillen,
aber völlig städtischen Charlottenstraße wohnte, hätte er glauben können,
von seinem Fenster aus in eine Einöde zu schauen, in welcher der graue
Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich vereinigten. Nur zweimal
hatte die aufmerksame Schwester sehen müssen, daß der Sessel beim
Fenster stand, als sie schon jedesmal, nachdem sie das Zimmer aufgeräumt
hatte, den Sessel wieder genau zum Fenster hinschob, ja sogar von nun ab
den inneren Fensterflügel offen ließ.
|
Often he just lay there the long nights through without sleeping at all, scrabbling
for hours on the leather. Or he worked himself up to the great effort of pushing an
armchair to the window, then crawled up over the windowsill and, braced against the chair,
leaned against the windowpanes obviously in some recollection of the sense of freedom that
looking out of a window always used to give him. For, in reality, day-by-day things that
were only a little distance away were growing dimmer to his sight; the hospital across the
street, which he used to curse for being all too often before his eyes, was now quite
beyond his range of vision, and if he had not known that he lived on Charlotte Street, a
quiet street but still a city street, he might have believed that his window looked out on
a desert waste where gray sky and gray land blended indistinguishably into each other. His
quick-witted sister only needed to observe twice that the armchair stood by the window;
after that whenever she had tidied the room she always pushed the chair back to the same
place at the window and even left the inner casements open.
|
2.15
|
Hätte Gregor nur mit
der Schwester sprechen und ihr für alles danken können, was sie für
ihn machen mußte, er hätte ihre Dienste leichter ertragen; so aber
litt er darunter. Die Schwester suchte freilich die Peinlichkeit des
Ganzen möglichst zu verwischen, und je längere Zeit verging, desto
besser gelang es ihr natürlich auch, aber auch Gregor durchschaute mit
der Zeit alles viel genauer. Schon ihr Eintritt war für ihn
schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu
nehmen, die Türe zu schließen, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem
den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und
riß es, als ersticke sie fast, mit hastigen Händen auf, blieb auch,
selbst wenn es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete
tief. Mit diesem Laufen und Lärmen erschreckte sie Gregor täglich
zweimal; die ganze Zeit über zitterte er unter dem Kanapee und wußte
doch sehr gut, daß sie ihn gewiß gerne damit verschont hätte, wenn es
ihr nur möglich gewesen wäre, sich in einem Zimmer, in dem sich Gregor
befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
|
If he could have spoken to her and thanked her for all she had to do for him, he
could have endured her ministra-tions better; as it was, they pained him. She certainly
tried to make as light as possible of whatever was disagreeable in her task, and as time
went on she succeeded, of course, more and more, but time also allowed Gregor to see
through things better too. The very way she came in distressed him. Hardly was she in the
room when she rushed straight to the window, without even taking time to shut the door,
careful as she was usually to shield the sight of Gregor's room from the others, and as if
she were about to suffocate tore the windows open with impatient hands, standing then in
the open draft for a while even in the bitterest cold and drawing deep breaths. This
rushing around and banging of hers upset Gregor twice a day; he would crouch trembling
under the sofa all the while, knowing quite well that she would certainly have spared him
such a disturbance had she found it at all possible to stay in his presence without
opening the window.
|
2.16
|
Einmal, es war wohl
schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen, und es war doch
schon für die Schwester kein besonderer Grund mehr, über Gregors
Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig früher als sonst
und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so recht zum
Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es wäre für Gregor
nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten wäre, da er sie
durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu öffnen, aber
sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zurück und schloß die Tür;
ein Fremder hätte geradezu denken können, Gregor habe ihr aufgelauert
und habe sie beißen wollen. Gregor versteckte sich natürlich sofort
unter dem Kanapee, aber er mußte bis zum Mittag warten, ehe die
Schwester wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er
erkannte daraus, daß ihr sein Anblick noch immer unerträglich war und
ihr auch weiterhin unerträglich bleiben müsse, und daß sie sich wohl
sehr überwinden mußte, vor dem Anblick auch nur der kleinen Partie
seines Körpers nicht davonzulaufen, mit der er unter dem Kanapee
hervorragte. Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages
auf seinem Rücken – er brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden – das
Leintuch auf das Kanapee und ordnete es in einer solchen Weise an, daß
er nun gänzlich verdeckt war, und daß die Schwester, selbst wenn sie
sich bückte, ihn nicht sehen konnte. Wäre dieses Leintuch ihrer
Meinung nach nicht nötig gewesen, dann hätte sie es ja entfernen können,
denn daß es nicht zum Vergnügen Gregors gehören konnte, sich so ganz
und gar abzusperren, war doch klar genug, aber sie ließ das Leintuch,
so wie es war, und Gregor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht
zu haben, als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig lüftete,
um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrichtung aufnahm.
|
On one occasion, about a month after Gregor's
meta-morphosis, when there was surely no reason for her to be still startled at his
appearance, she came a little earlier than usual and found him gazing out of the window,
quite motionless, and thus the perfect figure of terror. Gregor would not have been
surprised had she not come in at all, for she could not immediately open the window while
he was there, but not only did she retreat, she jumped back as if in alarm and slammed the
door shut; a stranger might well have thought that he had been lying in wait for her
there, planning to bite her. Of course he hid himself under the sofa at once, but he had
to wait until midday before she came again, and she seemed more ill at ease than usual.
This made him realize how repulsive the sight of him still was to her, and that it was
bound to go on being repulsive, and what an effort it must cost her not to run away even
from the sight of the small portion of his body that stuck out from under the sofa. In
order to spare her that, therefore, one day he carried a sheet on his back to the
sofa - it cost him four hours' labor - and arranged it there in such a way as to
hide himself completely, so that even if she were to bend down she could not see him. Had
she considered the sheet unnecessary, she would certainly have stripped it off the sofa
again, for it was clear enough that this total confinement of himself had not been
undertaken just for his own pleasure, but she left it where it was, and Gregor even
imagined that he caught a grateful look in her eye when he lifted the sheet carefully a
very little with his head to see how she was taking the new arrangement.
|
2.17
|
In den ersten vierzehn
Tagen konnten es die Eltern nicht über sich bringen, zu ihm
hereinzukommen, und er hörte oft, wie sie die jetzige Arbeit der
Schwester völlig anerkannten, während sie sich bisher häufig über
die Schwester geärgert hatten, weil sie ihnen als ein etwas nutzloses Mädchen
erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter,
vor Gregors Zimmer, während die Schwester dort aufräumte, und kaum war
sie herausgekommen, mußte sie ganz genau erzählen, wie es in dem
Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen
hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die
Mutter übrigens wollte verhältnismäßig bald Gregor besuchen, aber
der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit Vernunftgründen zurück,
denen Gregor sehr aufmerksam zuhörte, und die er vollständig billigte.
Später aber mußte man sie mit Gewalt zurückhalten, und wenn sie dann
rief: "Laßt mich doch zu Gregor, er ist ja mein unglücklicher
Sohn! Begreift ihr es denn nicht, daß ich zu ihm muß?", dann
dachte Gregor, daß es vielleicht doch gut wäre, wenn die Mutter
hereinkäme, nicht jeden Tag natürlich, aber vielleicht einmal in der
Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz
all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht
nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe übernommen hatte.
|
For the first two weeks his parents could not bring themselves to enter his room,
and he often heard them expressing their appreciation of his sister's activities, whereas
formerly they had frequently been annoyed with her for being as they thought a somewhat
useless girl. But now both of them often waited outside the door, his father and his
mother, while his sister tidied his room, and as soon as she came out she had to tell them
exactly how things were in the room, what Gregor had eaten, how he had conducted him-self
this time, and whether there was not perhaps some slight improvement in his condition. His
mothler, moreover, began relatively soon to want to visit him, but his father and sister
dissuaded her at first with arguments which Gregor listened to very attentively and
altogether approved. Later, however, she had to be held back by force, and when she cried
out, "Let me in to see Gregor, he is my unfortunate son! Can't you understand that I
must go to him?" Gregor thought that it might be well to have her come in, not every
day, of course, but perhaps once a week; she understood things, after all, much better
than his sister, who was only a child despite her courage and when all was said and done
had perhaps taken on so difficult a task merely out of childish frivolity.
|
2.18
|
Der Wunsch Gregors, die
Mutter zu sehen, ging bald in Erfüllung. Während des Tages wollte
Gregor schon aus Rücksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster
zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern des Fußbodens
auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon während der Nacht
schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergnügen,
und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer über Wände
und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern; es
war ganz anders, als das Liegen auf dem Fußboden; man atmete freier;
ein leichtes Schwingen ging durch den Körper; und in der fast glücklichen
Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen,
daß er zu seiner eigenen Überraschung sich losließ und auf den Boden
klatschte. Aber nun hatte er natürlich seinen Körper ganz anders in
der Gewalt als früher und beschädigte sich selbst bei einem so großen
Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung,
die Gregor für sich gefunden hatte – er hinterließ ja auch beim
Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes –, und da setzte sie es
sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in größtem Ausmaße zu ermöglichen
und die Möbel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und den
Schreibtisch, wegzuschaffen. Nun war sie aber nicht imstande, dies
allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das Dienstmädchen
hätte ihr ganz gewiß nicht geholfen, denn dieses etwa sechzehnjährige
Mädchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der früheren Köchin aus,
hatte aber um die Vergünstigung gebeten, die Küche unaufhörlich
versperrt halten zu dürfen und nur auf besonderen Anruf öffnen zu müssen;
so blieb der Schwester also nichts übrig, als einmal in Abwesenheit des
Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter
auch heran, verstummte aber an der Tür vor Gregors Zimmer. Zuerst sah
natürlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war; dann
erst ließ sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in größter Eile das
Leintuch noch tiefer und mehr in Falten gezogen, das Ganze sah wirklich
nur wie ein zufällig über das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor
unterließ auch diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren; er
verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen, und war nur froh,
daß sie nun doch gekommen war. "Komm nur, man sieht ihn
nicht", sagte die Schwester, und offenbar führte sie die Mutter an
der Hand. Gregor hörte nun, wie die zwei schwachen Frauen den immerhin
schweren alten Kasten von seinem Platze rückten, und wie die Schwester
immerfort den größten Teil der Arbeit für sich beanspruchte, ohne auf
die Warnungen der Mutter zu hören, welche fürchtete, daß sie sich überanstrengen
werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon viertelstündiger Arbeit
sagte die Mutter, man solle den Kasten doch lieber hier lassen, denn
erstens sei er zu schwer, sie würden vor Ankunft des Vaters nicht
fertig werden und mit dem Kasten in der Mitte des Zimmers Gregor jeden
Weg verrammeln, zweitens aber sei es doch gar nicht sicher, daß Gregor
mit der Entfernung der Möbel ein Gefallen geschehe. Ihr scheine das
Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedrücke der Anblick der leeren Wand
geradezu das Herz; und warum solle nicht auch Gregor diese Empfindung
haben, da er doch an die Zimmermöbel längst gewöhnt sei und sich
deshalb im leeren Zimmer verlassen fühlen werde. "Und ist es dann
nicht so", schloß die Mutter ganz leise, wie sie überhaupt fast
flüsterte, als wolle sie vermeiden, daß Gregor, dessen genauen
Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur den Klang der Stimme höre,
denn daß er die Worte nicht verstand, davon war sie überzeugt,
"und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der Möbel
zeigten, daß wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn rücksichtslos
sich selbst überlassen? Ich glaube, es wäre das beste, wir suchen das
Zimmer genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es früher war, damit
Gregor, wenn er wieder zu uns zurückkommt, alles unverändert findet
und umso leichter die Zwischenzeit vergessen kann."
|
Gregor's desire to see his mother was soon fulfilled. During the daytime he did not
want to show himself at the window, out of consideration for his parents, but he could not
crawl very far around the few square yards of floor space he had, nor could he bear lying
quietly at rest all during the night; in addition he was fast losing any interest he had
ever taken in food, so for mere recreation he had formed the habit of crawling crisscross
over the walls and ceiling. He especially enjoyed hanging suspended from the ceiling; it
was altogether different from lying on the floor; one could breathe more freely; one's
body swung and rocked lightly; and in the almost blissful absorption induced by this
suspension it could happen, to his own surprise, that he let go and fell plop onto the
floor. Yet he now had his body much better under control than formerly and even such a big
fall did him no harm. His sister noticed at once the new distraction Gregor had found for
himself - he left behind traces of the sticky stuff from his pads wherever he
crawled - and she got the idea in her head of giving him as wide a field as possible to
crawl around in and of removing the pieces of furniture that hindered him, above all the
chest of drawers and the writing desk. But that was more than she could manage all by
herself; she did not dare ask her father to help her; and as for the maid, a girl of
sixteen who had had the courage to stay on after the cook's departure, she could not be
asked to help, for she had begged as a special favor that she might keep the kitchen door
locked and open it only on a definite summons; so there was nothing left but to turn to
her mother one day when her father was out. And the mother did come, with exclamations of
excitement and joy, which, however, died away at the door of Gregor's room. Gregor's
sister, of course, went in first to see that everything was in order before letting his
mother enter. In great haste Gregor had pulled the sheet lower than usual and arranged it
more in folds so that it really looked as if it had been thrown casually over the sofa.
And this time he did not peer out from under it; he denied himself the pleasure of seeing
his mother on this first occasion and was only glad that she had come at all. "Come
in, he's out of sight," said his sister, obviously leading her mother in by the hand.
Gregor could now hear the two frail women struggling to shift the heavy old chest from its
place, and his sister insisting on doing the greater part of the work herself without
listening to the admonitions of her mother, who feared she might overstrain herself. It
took a long time. After at least a quarter of an hour's tugging his mother said that the
chest had better be left right where they had found it, for in the first place it was too
heavy and could never be removed before his father came home, and with the chest halfway
in the middle of the room like this it would only hamper Gregor's movements, while in
the second place it was not at all certain that remov-ing the furniture would be doing
Gregor a favor. She was inclined to think the contrary; the sight of the naked wall made
her own heart heavy, and why shouldn't Gregor have the same feeling, considering that he
had been used to his furniture for so long and might feel forlorn without it. "And
doesn't it look," his mother concluded in a low voice - in fact she had been
almost whispering all the time as if to avoid letting Gregor, whose exact whereabouts she
did not know, hear even the sounds of her voice, for she was convinced that he could not
understand her words - "doesn't it look as if we were showing him, by taking away
his furniture, that we have given up hope of his ever getting better and are just
thoughtlessly leaving him to himself? I think it would be best to keep his room exactly as
it has always been, so that when he comes back to us he will find everything unchanged and
be able to forget all the more easily what has happened in the meantime."
|
2.19
|
Beim Anhören dieser
Worte der Mutter erkannte Gregor, daß der Mangel jeder unmittelbaren
menschlichen Ansprache, verbunden mit dem einförmigen Leben inmitten
der Familie, im Laufe dieser zwei Monate seinen Verstand hatte verwirren
müssen, denn anders konnte er es sich nicht erklären, daß er
ernsthaft darnach hatte verlangen können, daß sein Zimmer ausgeleert würde.
Hatte er wirklich Lust, das warme, mit ererbten Möbeln gemütlich
ausgestattete Zimmer in eine Höhle verwandeln zu lassen, in der er dann
freilich nach allen Richtungen ungestört würde kriechen können,
jedoch auch unter gleichzeitigem, schnellen, gänzlichen Vergessen
seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon nahe daran,
zu vergessen, und nur die seit langem nicht gehörte Stimme der Mutter
hatte ihn aufgerüttelt. Nichts sollte entfernt werden; alles mußte
bleiben; die guten Einwirkungen der Möbel auf seinen Zustand konnte er
nicht entbehren; und wenn die Möbel ihn hinderten, das sinnlose
Herumkriechen zu betreiben, so war es kein Schaden, sondern ein großer
Vorteil.
|
On hearing these words from his mother Gregor realized that the lack of all direct
human communication for the past two months together with the monotony of family life must
have confused his mind, otherwise he could not account for the fact that he had seriously
looked forward to having his room emptied of its furnishings. Did he really want his cozy
room, so comfortably fitted with old family furniture, to be turned into a cave in which
he would certainly be able to crawl unhampered in all directions but at the price of
shedding instantly and totally all recollection of his human past? He had indeed been
close to the brink of forgetfulness and only the voice of his mother, which he had not
heard for so long, had drawn him back from it. Nothing should be taken out of his room;
everything must stay as it was; he could not dispense with the beneficial effects of the
furniture on his state of mind; and even if the furniture did hamper him in his senseless
crawling around and around, that was no drawback but a great advantage.
|
2.20
|
Aber die Schwester war
leider anderer Meinung; sie hatte sich, allerdings nicht ganz
unberechtigt, angewöhnt, bei Besprechung der Angelegenheiten Gregors
als besonders Sachverständige gegenüber den Eltern aufzutreten, und so
war auch jetzt der Rat der Mutter für die Schwester Grund genug, auf
der Entfernung nicht nur des Kastens und des Schreibtisches, an die sie
zuerst allein gedacht hatte, sondern auf der Entfernung sämtlicher Möbel,
mit Ausnahme des unentbehrlichen Kanapees, zu bestehen. Es war natürlich
nicht nur kindlicher Trotz und das in der letzten Zeit so unerwartet und
schwer erworbene Selbstvertrauen, das sie zu dieser Forderung bestimmte;
sie hatte doch auch tatsächlich beobachtet, daß Gregor viel Raum zum
Kriechen brauchte, dagegen die Möbel, soweit man sehen konnte, nicht im
geringsten benützte. Vielleicht aber spielte auch der schwärmerische
Sinn der Mädchen ihres Alters mit, der bei jeder Gelegenheit seine
Befriedigung sucht, und durch den Grete jetzt sich dazu verlocken ließ,
die Lage Gregors noch schreckenerregender machen zu wollen, um dann noch
mehr als bis jetzt für ihn leisten zu können. Denn in einen Raum, in
dem Gregor ganz allein die leeren Wände beherrschte, würde wohl kein
Mensch außer Grete jemals einzutreten sich getrauen.
|
Unfortunately his sister was of the contrary opinion; she had grown accustomed, and
not without reason, to consider herself an expert in Gregor's affairs as against her
parents, and so her mother's advice was now enough to make her determined on the removal
not only of the chest and the desk, which had been her first intention, but of all the
furniture except the indispensable sofa. This determination was not, of course, merely the
outcome of childish recalcitrance and of the self-confidence she had recently developed so
unexpectedly and at such cost; she had in fact perceived that Gregor needed a lot of space
to crawl around in, while on the other hand he never used the furniture at all, so far as
could be seen. Another factor might also have been the enthusiastic temperament of girls
her age, which seeks to indulge itself at every opportunity and which now tempted Grete to
exaggerate the horror of her brother's circumstances in order that she might do all the
more for him. In a room where Gregor lorded it all alone over empty walls no one except
herself was likely ever to set foot.
|
2.21
|
Und so ließ sie sich
von ihrem Entschlusse durch die Mutter nicht abbringen, die auch in
diesem Zimmer vor lauter Unruhe unsicher schien, bald verstummte und der
Schwester nach Kräften beim Hinausschaffen des Kastens half. Nun, den
Kasten konnte Gregor im Notfall noch entbehren, aber schon der
Schreibtisch mußte bleiben. Und kaum hatten die Frauen mit dem Kasten,
an den sie sich ächzend drückten, das Zimmer verlassen, als Gregor den
Kopf unter dem Kanapee hervorstieß, um zu sehen, wie er vorsichtig und
möglichst rücksichtsvoll eingreifen könnte. Aber zum Unglück war es
gerade die Mutter, welche zuerst zurückkehrte, während Grete im
Nebenzimmer den Kasten umfangen hielt und ihn allein hin und her
schwang, ohne ihn natürlich von der Stelle zu bringen. Die Mutter aber
war Gregors Anblick nicht gewöhnt, er hätte sie krank machen können,
und so eilte Gregor erschrocken im Rückwärtslauf bis an das andere
Ende des Kanapees, konnte es aber nicht mehr verhindern, daß das
Leintuch vorne ein wenig sich bewegte. Das genügte, um die Mutter
aufmerksam zu machen. Sie stockte, stand einen Augenblick still und ging
dann zu Grete zurück.
|
And so she was not to be moved from her resolve by her mother, who seemed,
moreover, to be ill at ease in Gregor's room and therefore unsure of herself, was soon
reduced to silence and helped her daughter as best she could to push the chest outside.
Now, Gregor could do without the chest if need be, but the desk had to stay. As soon as
the two women had gotten the chest out of his room, groaning as they pushed it, Gregor
stuck his head out from under the sofa to see how he might intervene as considerately and
cautiously as possible. But as bad luck would have it, his mother was the first to return,
leaving Grete grappling with the chest in the room next door where she was trying to shift
it all by herself, without of course moving it from the spot. His mother however was not
accustomed to the sight of him, it might sicken her, and so in alarm Gregor backed quickly
to the other end of the sofa, yet could not prevent the sheet from swaying a little in
front. That was enough to put her on the alert. She paused, stood still for a moment, and
then went back to Grete.
|
2.22
|
Trotzdem sich Gregor
immer wieder sagte, daß ja nichts Außergewöhnliches geschehe, sondern
nur ein paar Möbel umgestellt würden, wirkte doch, wie er sich bald
eingestehen mußte, dieses Hin- und Hergehen der Frauen, ihre kleinen
Zurufe, das Kratzen der Möbel auf dem Boden, wie ein großer, von allen
Seiten genährter Trubel auf ihn, und er mußte sich, so fest er Kopf
und Beine an sich zog und den Leib bis an den Boden drückte,
unweigerlich sagen, daß er das Ganze nicht lange aushalten werde. Sie räumten
ihm sein Zimmer aus; nahmen ihm alles, was ihm lieb war; den Kasten, in
dem die Laubsäge und andere Werkzeuge lagen, hatten sie schon
hinausgetragen; lockerten jetzt den schon im Boden fest eingegrabenen
Schreibtisch, an dem er als Handelsakademiker, als Bürgerschüler, ja
sogar schon als Volksschüler seine Aufgaben geschrieben hatte, – da
hatte er wirklich keine Zeit mehr, die guten Absichten zu prüfen,
welche die zwei Frauen hatten, deren Existenz er übrigens fast
vergessen hatte, denn vor Erschöpfung arbeiteten sie schon stumm, und
man hörte nur das schwere Tappen ihrer Füße.
|
Although Gregor kept reassuring himself that nothing out of the ordinary was
happening, that only a few bits of furniture were being rearranged, he soon had to admit
that all this trotting to and fro of the two women, their little shouts to each other, and
the scraping of furniture along the floor had the effect on him of some vast disturbance
coming from all sides at once, and however much he tucked in his head and legs and pressed
his body to the floor, he had to confess that he would not be able to stand it much
longer. They were clearing his room out, taking away everything he loved; the chest in
which he kept his jigsaw and other tools was already dragged off; they were now loosening
the desk which had almost sunk into the floor, the desk at which he had done all his
homework when he was at the commer-cial academy, at the secondary school before that, and,
yes, even at the primary school - he had no more time to waste in weighing the good
intentions of the two women, whose existence he had by now almost forgotten, for they were
so exhausted that they were laboring in silence and nothing could be heard but the heavy
scuffling of their feet.
|
2.23
|
Und so brach er denn
hervor – die Frauen stützten sich gerade im Nebenzimmer an den
Schreibtisch, um ein wenig zu verschnaufen –, wechselte viermal die
Richtung des Laufes, er wußte wirklich nicht, was er zuerst retten
sollte, da sah er an der im übrigen schon leeren Wand auffallend das
Bild der in lauter Pelzwerk gekleideten Dame hängen, kroch eilends
hinauf und preßte sich an das Glas, das ihn festhielt und seinem heißen
Bauch wohltat. Dieses Bild wenigstens, das Gregor jetzt ganz verdeckte,
würde nun gewiß niemand wegnehmen. Er verdrehte den Kopf nach der Tür
des Wohnzimmers, um die Frauen bei ihrer Rückkehr zu beobachten.
|
And so he broke out - the women were just leaning against the desk in the next
room to give themselves a breather - and four times changed his direction, since he
really did not know what to rescue first, then on the wall opposite, which was already all
but empty, he was struck by the picture of the lady muffled in so much fur and quickly
crawled up to it and pressed himself to the glass, which was a good surface to adhere to
and soothed his hot belly. This picture at least, now entirely hidden beneath him, was
going to be removed by nobody. He turned his head toward the door of the living room so as
to observe the women when they came back.
|
2.24
|
Sie hatten sich nicht
viel Ruhe gegönnt und kamen schon wieder; Grete hatte den Arm um die
Mutter gelegt und trug sie fast. "Also was nehmen wir jetzt?"
sagte Grete und sah sich um. Da kreuzten sich ihre Blicke mit denen
Gregors an der Wand. Wohl nur infolge der Gegenwart der Mutter behielt
sie ihre Fassung, beugte ihr Gesicht zur Mutter, um diese vom
Herumschauen abzuhalten, und sagte, allerdings zitternd und unüberlegt:
"Komm, wollen wir nicht lieber auf einen Augenblick noch ins
Wohnzimmer zurückgehen?" Die Absicht Gretes war für Gregor klar,
sie wollte die Mutter in Sicherheit bringen und dann ihn von der Wand
hinunterjagen. Nun, sie konnte es ja immerhin versuchen! Er saß auf
seinem Bild und gab es nicht her. Lieber würde er Grete ins Gesicht
springen.
|
They had not allowed themselves much of a rest and were already returning; Grete
had twined her arm around her mother and was almost supporting her. "Well, what shall
we take now?" said Grete, looking around. Her eyes met Gregor's from the wall. She
kept her composure, presumably because of her mother, bent her head down to her mother, to
keep her from looking up, and said, although in a trembling and unconvincing tone of
voice: "Come, hadn't we better go back to the living room for a moment?" Her
intentions were clear enough to Gregor, she wanted to get her mother to safety and then
drive him down from the wall. Well, just let her try it! He clung to his picture and would
not give it up. He would rather fly in Grete's face.
|
2.25
|
Aber Gretes Worte
hatten die Mutter erst recht beunruhigt, sie trat zur Seite, erblickte
den riesigen braunen Fleck auf der geblümten Tapete, rief, ehe ihr
eigentlich zum Bewußtsein kam, daß das Gregor war, was sie sah, mit
schreiender, rauher Stimme: "Ach Gott, ach Gott! " und fiel
mit ausgebreiteten Armen, als gebe sie alles auf, über das Kanapee hin
und rührte sich nicht. "Du, Gregor! " rief die Schwester mit
erhobener Faust und eindringlichen Blicken. Es waren seit der
Verwandlung die ersten Worte, die sie unmittelbar an ihn gerichtet
hatte. Sie lief ins Nebenzimmer, um irgendeine Essenz zu holen, mit der
sie die Mutter aus ihrer Ohnmacht wecken könnte; Gregor wollte auch
helfen – zur Rettung des Bildes war noch Zeit –; er klebte aber fest
an dem Glas und mußte sich mit Gewalt losreißen; er lief dann auch ins
Nebenzimmer, als könne er der Schwester irgendeinen Rat geben, wie in
früherer Zeit; mußte dann aber untätig hinter ihr stehen, während
sie in verschiedenen Fläschchen kramte; erschreckte sie noch, als sie
sich umdrehte; eine Flasche fiel auf den Boden und zerbrach; ein
Splitter verletzte Gregor im Gesicht, irgendeine ätzende Medizin umfloß
ihn; Grete nahm nun, ohne sich länger aufzuhalten, soviel Fläschchen,
als sie nur halten konnte, und rannte mit ihnen zur Mutter hinein; die Tür
schlug sie mit dem Fuße zu. Gregor war nun von der Mutter
abgeschlossen, die durch seine Schuld vielleicht dem Tode nahe war; die
Tür durfte er nicht öffnen, wollte er die Schwester, die bei der
Mutter bleiben mußte, nicht verjagen; er hatte jetzt nichts zu tun, als
zu warten; und von Selbstvorwürfen und Besorgnis bedrängt, begann er
zu kriechen, überkroch alles, Wände, Möbel und Zimmerdecke und fiel
endlich in seiner Verzweiflung, als sich das ganze Zimmer schon um ihn
zu drehen anfing, mitten auf den großen Tisch.
|
But Grete's words had succeeded in upsetting her mother, who took a step to one
side, caught sight of the huge brown mass on the flowered wallpaper, and before she was
really aware that what she saw was Gregor, screamed in a loud, hoarse voice, "Oh God,
oh God!" fell with outspread arms over the sofa as if giving up, and did not move.
"Gregor!" cried his sister, shaking her fist and glaring at him. This was the
first time she had directly addressed him since his metamorphosis. She ran into the next
room for some smelling salts with which to rouse her mother from her fainting fit. Gregor
wanted to help too - there was time to rescue the picture later - but he was stuck
fast to the glass and had to tear himself loose; he then ran after his sister into the
next room as if he could still advise her the way he used to; but all he could do was
stand helplessly behind her; she meanwhile searched among various small bottles and when
she turned around started in alarm at the sight of him; one bottle fell on the floor and
broke; a splinter of glass cut Gregor's face and some kind of corrosive medicine splashed
him; without pausing a moment longer Grete gathered up all the bottles she could carry and
ran to her mother with them; she banged the door shut with her foot. Gregor was now cut
off from his mother, who was perhaps about to die because of him; he dared not open the
door for fear of frightening away his sister, who had to stay with her mother; there was
nothing he could do but wait; and tormented by self-reproach and worry he began now to
crawl to and fro, over everything, walls, furniture, and ceiling, and finally in his
despair, when the whole room seemed to be reeling around him, fell down onto the middle of
the big table.
|
2.26
|
Es verging eine kleine
Weile, Gregor lag matt da, ringsherum war es still, vielleicht war das
ein gutes Zeichen. Da läutete es. Das Mädchen war natürlich in ihrer
Küche eingesperrt und Grete mußte daher öffnen gehen. Der Vater war
gekommen. "Was ist geschehen" waren seine ersten Worte; Gretes
Aussehen hatte ihm wohl alles verraten. Grete antwortete mit dumpfer
Stimme, offenbar drückte sie ihr Gesicht an des Vaters Brust: "Die
Mutter war ohnmächtig, aber es geht ihr schon besser. Gregor ist
ausgebrochen. " "Ich habe es ja erwartet", sagte der
Vater, "ich habe es euch ja immer gesagt, aber ihr Frauen wollt
nicht hören." Gregor war es klar, daß der Vater Gretes allzukurze
Mitteilung schlecht gedeutet hatte und annahm, daß Gregor sich
irgendeine Gewalttat habe zuschulden kommen lassen. Deshalb mußte
Gregor den Vater jetzt zu besänftigen suchen, denn ihn aufzuklären
hatte er weder Zeit noch Möglichkeit. Und so flüchtete er sich zur Tür
seines Zimmers und drückte sich an sie, damit der Vater beim Eintritt
vom Vorzimmer her gleich sehen könne, daß Gregor die beste Absicht
habe, sofort in sein Zimmer zurückzukehren, und daß es nicht nötig
sei, ihn zurückzutreiben, sondern daß man nur die Tür zu öffnen
brauche, und gleich werde er verschwinden.
|
A little while elapsed, Gregor was still lying there feebly and all around him was
quiet; perhaps that was a good omen. Then the doorbell rang. The maid was of course locked
in her kitchen, and Grete had to go and open the door. It was his father. "What's
happened?" were his first words; the look on Grete's face must have told him
everything. Grete answered in a muffled voice, apparently hiding her head on his chest:
"Mother fainted, but she's better now. Gregor's broken loose." "Just what I
expected," said his father, "just what I've been telling you would happen, but
you women would never listen." It was clear to Gregor that his father had taken the
worst interpretation of Grete's all too brief statement and was assuming that Gregor had
been guilty of some violent act. Therefore Gregor must now try to calm his father down,
since he had neither time nor means for an explanation. And so he ran to the door of his
own room and crouched against it, to let his father see as soon as he came in from the
hall that his son had the good intention of getting back into his room immediately and
that it was not necessary to drive him there, but that if only the door were opened for
him he would disappear at once.
|
2.27
|
Aber der Vater war
nicht in der Stimmung, solche Feinheiten zu bemerken; "Ah! "
rief er gleich beim Eintritt in einem Tone, als sei er gleichzeitig wütend
und froh. Gregor zog den Kopf von der Tür zurück und hob ihn gegen den
Vater. So hatte er sich den Vater wirklich nicht vorgestellt, wie er
jetzt dastand; allerdings hatte er in der letzten Zeit über dem
neuartigen Herumkriechen versäumt, sich so wie früher um die Vorgänge
in der übrigen Wohnung zu kümmern, und hätte eigentlich darauf gefaßt
sein müssen, veränderte Verhältnisse anzutreffen. Trotzdem, trotzdem,
war das noch der Vater? Der gleiche Mann, der müde im Bett vergraben
lag, wenn früher Gregor zu einer Geschäftsreise ausgerückt war; der
ihn an Abenden der Heimkehr im Schlafrock im Lehnstuhl empfangen hatte;
gar nicht recht imstande war, aufzustehen, sondern zum Zeichen der
Freude nur die Arme gehoben hatte, und der bei den seltenen gemeinsamen
Spaziergängen an ein paar Sonntagen im Jahr und an den höchsten
Feiertagen zwischen Gregor und der Mutter, die schon an und für sich
langsam gingen, immer noch ein wenig langsamer, in seinen alten Mantel
eingepackt, mit stets vorsichtig aufgesetztem Krückstock sich vorwärts
arbeitete und, wenn er etwas sagen wollte, fast immer stillstand und
seine Begleitung um sich versammelte? Nun aber war er recht gut
aufgerichtet; in eine straffe blaue Uniform mit Goldknöpfen gekleidet,
wie sie Diener der Bankinstitute tragen; über dem hohen steifen Kragen
des Rockes entwickelte sich sein starkes Doppelkinn; unter den buschigen
Augenbrauen drang der Blick der schwarzen Augen frisch und aufmerksam
hervor; das sonst zerzauste weiße Haar war zu einer peinlich genauen,
leuchtenden Scheitelfrisur niedergekämmt. Er warf seine Mütze, auf der
ein Goldmonogramm, wahrscheinlich das einer Bank, angebracht war, über
das ganze Zimmer im Bogen auf das Kanapee hin und ging, die Enden seines
langen Uniformrockes zurückgeschlagen, die Hände in den Hosentaschen,
mit verbissenem Gesicht auf Gregor zu. Er wußte wohl selbst nicht, was
er vor hatte; immerhin hob er die Füße ungewöhnlich hoch, und Gregor
staunte über die Riesengröße seiner Stiefelsohlen. Doch hielt er sich
dabei nicht auf, er wußte ja noch vom ersten Tage seines neuen Lebens
her, daß der Vater ihm gegenüber nur die größte Strenge für
angebracht ansah. Und so lief er vor dem Vater her, stockte, wenn der
Vater stehen blieb, und eilte schon wieder vorwärts, wenn sich der
Vater nur rührte. So machten sie mehrmals die Runde um das Zimmer, ohne
daß sich etwas Entscheidendes ereignete, ja ohne daß das Ganze infolge
seines langsamen Tempos den Anschein einer Verfolgung gehabt hätte.
Deshalb blieb auch Gregor vorläufig auf dem Fußboden, zumal er fürchtete,
der Vater könnte eine Flucht auf die Wände oder den Plafond für
besondere Bosheit halten. Allerdings mußte sich Gregor sagen, daß er
sogar dieses Laufen nicht lange aushalten würde, denn während der
Vater einen Schritt machte, mußte er eine Unzahl von Bewegungen ausführen.
Atemnot begann sich schon bemerkbar zu machen, wie er ja auch in seiner
früheren Zeit keine ganz vertrauenswürdige Lunge besessen hatte. Als
er nun so dahintorkelte, um alle Kräfte für den Lauf zu sammeln, kaum
die Augen offenhielt; in seiner Stumpfheit an eine andere Rettung als
durch Laufen gar nicht dachte; und fast schon vergessen hatte, daß ihm
die Wände freistanden, die hier allerdings mit sorgfältig geschnitzten
Möbeln voll Zacken und Spitzen verstellt waren – da flog knapp neben
ihm, leicht geschleudert, irgendetwas nieder und rollte vor ihm her. Es
war ein Apfel; gleich flog ihm ein zweiter nach; Gregor blieb vor
Schrecken stehen; ein Weiterlaufen war nutzlos, denn der Vater hatte
sich entschlossen, ihn zu bombardieren. Aus der Obstschale auf der
Kredenz hatte er sich die Taschen gefüllt und warf nun, ohne vorläufig
scharf zu zielen, Apfel für Apfel. Diese kleinen roten Äpfel rollten
wie elektrisiert auf dem Boden herum und stießen aneinander. Ein
schwach geworfener Apfel streifte Gregors Rücken, glitt aber unschädlich
ab. Ein ihm sofort nachfliegender drang dagegen förmlich in Gregors Rücken
ein; Gregor wollte sich weiterschleppen, als könne der überraschende
unglaubliche Schmerz mit dem Ortswechsel vergehen; doch fühlte er sich
wie festgenagelt und streckte sich in vollständiger Verwirrung aller
Sinne. Nur mit dem letzten Blick sah er noch, wie die Tür seines
Zimmers aufgerissen wurde, und vor der schreienden Schwester die Mutter
hervoreilte, im Hemd, denn die Schwester hatte sie entkleidet, um ihr in
der Ohnmacht Atemfreiheit zu verschaffen, wie dann die Mutter auf den
Vater zulief und ihr auf dem Weg die aufgebundenen Röcke einer nach dem
anderen zu Boden glitten, und wie sie stolpernd über die Röcke auf den
Vater eindrang und ihn umarmend, in gänzlicher Vereinigung mit ihm –
nun versagte aber Gregors Sehkraft schon – die Hände an des Vaters
Hinterkopf um Schonung von Gregors Leben bat.
|
Yet his father was not in the mood to perceive such find distinctions. "Aha!" he
cried as soon as he appeared, in a tone that sounded at once angry and exultant. Gregor
drew his head back from the door and lifted it to look at his father. Truly, this was not
the father he had imagined to himself; admittedly he had been too absorbed of late in his
new recreation of crawling over the ceiling to take the same interest as before in what
was happening elsewhere in the apartment, and he really should have been prepared for some
changes. And yet, and yet, could that be his father? The man who used to lie wearily sunk
in bed whenever Gregor set out on a business trip; who on the evenings of his return
welcomed him back lying in an easy chair in his bathrobe; who could not really rise to his
feet but only lifted his arms in greeting, and who on the rare occasions when he did go
out with his family, on one or two Sundays a year and on the most important holidays,
walked between Gregor and his mother, who were slow walkers themselves, even more slowly
than they did, muffled in his old overcoat, shuffling laboriously forward with the help of
his crook-handled cane, which he set down most cautiously at every step and, whenever he
wanted to say anything, nearly always came to a full stop and gathered his escort around
him? Now he was standing there straight as a stick, dressed in a smart blue uniform with
gold buttons, such as bank attendants wear; his strong double chin bulged over the stiff
high collar of his jacket; from under his bushy eyebrows his black eyes darted fresh and
penetrating glances; his formerly tangled white hair had been combed flat on either side
of a shining and carefully exact parting. He pitched his cap, which bore a gold monogram,
probably the badge of some bank, in a wide arc across the whole room onto a sofa and with
the tail-ends of his jacket thrown back, his hands in his trouser pockets, advanced with a
grim visage toward Gregor. Likely enough he did not himself know what he meant to do; at
any rate, he lifted his feet unusually high off the floor, and Gregor was dumbfounded at
the enormous size of his shoe soles. But Gregor could not risk standing up to him, aware,
as he had been from the very first day of his new life, that his father believed only the
severest measures suitable for dealing with him. And so he ran before his father, stopping
when he stopped and scuttling forward again when his father made any kind of move. In this
way they circled the room several times without anything decisive happening, indeed the
whole operation did not even look like a pursuit because it was carried out so slowly. And
so Gregor confined himself to the floor, for he feared that his father might interpret any
recourse to the walls or the ceiling as especially wicked behavior. All the same, he could
not keep this race up much longer, for while his father took a single step he had to carry
out a whole series of movements. He was already beginning to feel breathless, just as in
his former life his lungs had not been very dependable. As he was staggering along, trying
to concentrate his energy on running, hardly keeping his eyes open, in his dazed state
never even thinking of any other escape than simply going forward, and having almost
for-gotten that the walls were free to him, which in this room, to be sure, were
obstructed by finely carved pieces of furni-ture full of sharp points and jagged
edges - suddenly some-thing lightly flung landed close beside him and rolled in front
of him. It was an apple; a second apple followed immediately; Gregor came to a stop in
alarm; there was no point in running away now, for his father was determined to bombard
him. He had filled his pockets with fruit from the dish on the sideboard and was now
throwing apple after apple, without taking particularly good aim for the moment. The small
red apples rolled about the floor as if magnetized and bumped into each other. An apple
thrown without much force grazed Gregor's back and glanced off harmlessly. But another,
following immediately, landed right on his back and got stuck in it; Gregor wanted to drag
himself forward, as if this startling, incredible pain would disappear if he moved to a
different spot; but he felt as if he were nailed to the floor, and stretched himself out
in the complete derangement of all his senses. With his last conscious look he saw the
door of his room being torn open and his mother rushing out ahead of his screaming sister,
in her underbodice, for her daughter had loosened her clothing to let her breathe more
freely and recover from her swoon; he saw his mother rushing toward his father, leaving
her loosened petticoats, one after another, behind her on the floor, stumbling over them
straight to his father and embracing him, in complete union with him - but by now
Gregor's sight was already failing - with her hands clasped around his father's
neck as she begged for Gregor's life.
|
2.28
|
|
3
|
Die schwere Verwundung
Gregors, an der er über einen Monat litt – der Apfel blieb, da ihn
niemand zu entfernen wagte, als sichtbares Andenken im Fleische sitzen –,
schien selbst den Vater daran erinnert zu haben, daß Gregor trotz
seiner gegenwärtigen traurigen und ekelhaften Gestalt ein
Familienmitglied war, das man nicht wie einen Feind behandeln durfte,
sondern dem gegenüber es das Gebot der Familienpflicht war, den
Widerwillen hinunterzuschlucken und zu dulden, nichts als zu dulden.
|
The serious injury done to Gregor, which disabled him for more than a month - the apple
remained stuck in his body as a visible reminder, since no one dared to remove
it - seemed to have made even his father recollect that Gregor was a member of the
family, despite his present unfortunate and repulsive shape, and ought not to be treated
as an enemy, that, on the contrary family duty required them to swallow their disgust and
to practice patience, nothing but patience.
|
3.1
|
Und wenn nun
auch Gregor durch seine Wunde an Beweglichkeit wahrscheinlich für immer
verloren hatte und vorläufig zur Durchquerung seines Zimmers wie ein
alter Invalide lange, lange Minuten brauchte – an das Kriechen in der
Höhe war nicht zu denken –, so bekam er für diese Verschlimmerung
seines Zustandes einen seiner Meinung nach vollständig genügenden
Ersatz dadurch, daß immer gegen Abend die Wohnzimmertür, die er schon
ein bis zwei Stunden vorher scharf zu beobachten pflegte, geöffnet
wurde, so daß er, im Dunkel seines Zimmers liegend, vom Wohnzimmer aus
unsichtbar, die ganze Familie beim beleuchteten Tische sehen und ihre
Reden, gewissermaßen mit allgemeiner Erlaubnis, also ganz anders als früher,
anhören durfte.
|
And although his injury had impaired, probably forever, his powers of movement, and
for the time being it took him long, long minutes to creep across his room like an old
invalid - there was no question now of crawling up the wall - yet in his own opinion
he was sufficiently compensated for this worsening of his condition by the fact that
toward evening the living-room door, which he used to watch intently for an hour or two
beforehand, was now always opened, so that lying in the darkness of his room, invisible to
the family, he was permitted to see them all at the lamp-lit table and listen to their
talk by general consent, as it were, very different from his earlier eavesdropping.
|
3.2
|
Freilich waren es nicht
mehr die lebhaften Unterhaltungen der früheren Zeiten, an die Gregor in
den kleinen Hotelzimmern stets mit einigem Verlangen gedacht hatte, wenn
er sich müde in das feuchte Bettzeug hatte werfen müssen. Es ging
jetzt meist nur sehr still zu. Der Vater schlief bald nach dem
Nachtessen in seinem Sessel ein; die Mutter und Schwester ermahnten
einander zur Stille; die Mutter nähte, weit unter das Licht vorgebeugt,
feine Wäsche für ein Modengeschäft; die Schwester, die eine Stellung
als Verkäuferin angenommen hatte, lernte am Abend Stenographie und
Französisch, um vielleicht später einmal einen besseren Posten zu
erreichen. Manchmal wachte der Vater auf, und als wisse er gar nicht, daß
er geschlafen habe, sagte er zur Mutter: "Wie lange du heute schon
wieder nähst! " und schlief sofort wieder ein, während Mutter und
Schwester einander müde zulächelten.
|
True, their conversation lacked the lively character of former times, which he had
always called to mind with a certain wistfulness in the small hotel bedrooms where he so
often used to throw himself down, tired out, on the damp bedding. They were now mostly
very silent. Soon after supper his father would fall asleep in his armchair; his mother
and sister would admonish each other to be silent; his mother, bending low under the lamp,
would sew delicate undergarments for a fashionable shop; his sister, who had taken a job
as a salesgirl, was learning shorthand and French in the evenings in the hopes of getting
better position some day. Sometimes his father woke up, and as if quite unaware that he
had been sleeping said to his mother: "What a lot of sewing you're doing today!"
and at once fell asleep again, while the two women exchanged a tired smile.
|
3.3
|
Mit einer Art Eigensinn
weigerte sich der Vater auch, zu Hause seine Dieneruniform abzulegen;
und während der Schlafrock nutzlos am Kleiderhaken hing, schlummerte
der Vater vollständig angezogen auf seinem Platz, als sei er immer zu
seinem Dienste bereit und warte auch hier auf die Stimme des
Vorgesetzten. Infolgedessen verlor die gleich anfangs nicht neue Uniform
trotz aller Sorgfalt von Mutter und Schwester an Reinlichkeit, und
Gregor sah oft ganze Abende lang auf dieses über und über fleckige,
mit seinen stets geputzten Goldknöpfen leuchtende Kleid, in dem der
alte Mann höchst unbequem und doch ruhig schlief.
|
With a kind of mulishness his father persisted in keeping his uniform on even in
the house; his robe hung uselessly on its peg and he slept fully dressed where he sat, as
if he were ready for service at any moment and even here only awaiting the call of his
superior. As a result, his uniform, which was not brand-new to start with, began to look
dirty, despite all the loving care of the mother and sister to keep it clean, and Gregor
often spent whole evenings gazing at the many greasy spots on the garment, gleaming with
gold buttons always in a high state of polish, in which the old man sat sleeping in
extreme discomfort and yet quite peacefully.
|
3.4
|
Sobald die Uhr zehn
schlug, suchte die Mutter durch leise Zusprache den Vater zu wecken und
dann zu überreden, ins Bett zu gehen, denn hier war es doch kein
richtiger Schlaf und diesen hatte der Vater, der um sechs Uhr seinen
Dienst antreten mußte, äußerst nötig. Aber in dem Eigensinn, der
ihn, seitdem er Diener war, ergriffen hatte, bestand er immer darauf,
noch länger bei Tisch zu bleiben, trotzdem er regelmäßig einschlief,
und war dann überdies nur mit der größten Mühe zu bewegen, den
Sessel mit dem Bett zu vertauschen. Da mochten Mutter und Schwester mit
kleinen Ermahnungen noch so sehr auf ihn eindringen, viertelstundenlang
schüttelte er langsam den Kopf, hielt die Augen geschlossen und stand
nicht auf. Die Mutter zupfte ihn am Ärmel, sagte ihm Schmeichelworte
ins Ohr, die Schwester verließ ihre Aufgabe, um der Mutter zu helfen,
aber beim Vater verfing das nicht. Er versank nur noch tiefer in seinen
Sessel. Erst bis ihn die Frauen unter den Achseln faßten, schlug er die
Augen auf, sah abwechselnd die Mutter und die Schwester an und pflegte
zu sagen: "Das ist ein Leben. Das ist die Ruhe meiner alten Tage.
" Und auf die beiden Frauen gestützt, erhob er sich, umständlich,
als sei er für sich selbst die größte Last, ließ sich von den Frauen
bis zur Türe führen, winkte ihnen dort ab und ging nun selbständig
weiter, während die Mutter ihr Nähzeug, die Schwester ihre Feder
eiligst hinwarfen, um hinter dem Vater zu laufen und ihm weiter
behilflich zu sein.
|
As soon as the clock struck ten his mother tried to rouse his father with gentle
words and to persuade him after that to get into bed, for sitting there he could not have
a proper sleep and that was what he needed most, since he had to go on duty at six. But
with the mulishness he displayed since becoming a bank attendant he always insisted on
staying longer at the table, although he regularly fell asleep again and finally only with
the greatest trouble could be persuaded to relinquish his armchair and go to bed. However
insistently Gregor's mother and sister kept urging him with gentle reminders, he would go
on slowly shaking his head for a quarter of an hour, keeping his eyes shut, and refuse to
get to his feet. The mother plucked at his sleeve, whispering endearments in his ear, the
sister left her lessons to come to her mother's help, but it all made little impression on
Gregor's father. He would only sink down deeper in his chair. Not until the two women
hoisted him up by the armpits did he open his eyes and look at them both, one after the
other, usually with the remark, "What a life. So this is the peace and quiet of my
old age." And leaning on the two of them he would heave himself up, with difficulty,
as if he were his own greatest burden, permit them to lead him as far as the door, and
then wave them away and go on alone, while the mother threw down her needlework and the
sister her pen in order to run after him and be of further assistance.
|
3.5
|
Wer hatte in dieser
abgearbeiteten und übermüdeten Familie Zeit, sich um Gregor mehr zu kümmern,
als unbedingt nötig war? Der Haushalt wurde immer mehr eingeschränkt;
das Dienstmädchen wurde nun doch entlassen; eine riesige knochige
Bedienerin mit weißem, den Kopf umflatterndem Haar kam des Morgens und
des Abends, um die schwerste Arbeit zu leisten; alles andere besorgte
die Mutter neben ihrer vielen Näharbeit. Es geschah sogar, daß
verschiedene Familienschmuckstücke, welche früher die Mutter und die
Schwester überglücklich bei Unterhaltungen und Feierlichkeiten
getragen hatten, verkauft wurden, wie Gregor am Abend aus der
allgemeinen Besprechung der erzielten Preise erfuhr. Die größte Klage
war aber stets, daß man diese für die gegenwärtigen Verhältnisse
allzugroße Wohnung nicht verlassen konnte, da es nicht auszudenken war,
wie man Gregor übersiedeln sollte. Aber Gregor sah wohl ein, daß es
nicht nur die Rücksicht auf ihn war, welche eine Übersiedlung
verhinderte, denn ihn hätte man doch in einer passenden Kiste mit ein
paar Luftlöchern leicht transportieren können; was die Familie hauptsächlich
vom Wohnungswechsel abhielt, war vielmehr die völlige
Hoffnungslosigkeit und der Gedanke daran, daß sie mit einem Unglück
geschlagen war, wie niemand sonst im ganzen Verwandten- und
Bekanntenkreis. Was die Welt von armen Leuten verlangt, erfüllten sie
bis zum äußersten, der Vater holte den kleinen Bankbeamten das Frühstück,
die Mutter opferte sich für die Wäsche fremder Leute, die Schwester
lief nach dem Befehl der Kunden hinter dem Pulte hin und her, aber
weiter reichten die Kräfte der Familie schon nicht. Und die Wunde im Rücken
fing Gregor wie neu zu schmerzen an, wenn Mutter und Schwester, nachdem
sie den Vater zu Bett gebracht hatten, nun zurückkehrten, die Arbeit
liegen ließen, nahe zusammenrückten, schon Wange an Wange saßen; wenn
jetzt die Mutter, auf Gregors Zimmer zeigend, sagte: "Mach’ dort
die Tür zu, Grete," und wenn nun Gregor wieder im Dunkel war, während
nebenan die Frauen ihre Tränen vermischten oder gar tränenlos den
Tisch anstarrten.
|
Who could find time in this overworked and tired-out family to bother about Gregor
more than was absolutely necessary? The household was reduced more and more; the maid was
now let go; a gigantic bony cleaning woman with white hair flying around her head came in
mornings and evenings to do the rough work; Gregor's mother did all the rest, as well as
all her sewing. Even various pieces of family jewelry, which his mother and sister had
loved to wear at parties and celebrations, had to be sold, as Gregor discovered one
evening from hearing them discuss the prices obtained. But what they lamented most was the
fact that they could not leave the apartment, which was much too big for their present
circumstances, because they could not think of any way to transfer Gregor. Yet Gregor saw
well enough that consideration for him was not the main difficulty preventing the move,
for they could easily have carried him in some suitable box with a few air holes in it;
what really kept them from moving into another apartment was rather their own complete
hopelessness and the belief that they had been singled out for a misfortune such as had
never happened to any of their relations or acquaintances. They fulfilled to the utmost
all that the world demands of poor people: the father fetched breakfast for the minor
clerks in the bank, the mother devoted her energy to making underwear for stran-gers, the
sister trotted back and forth behind the counter at the demand of her customers, but more
than this they had not the strength to do. And the wound in Gregor's back began to hurt
him afresh when his mother and sister, after getting his father into bed, came back again,
left their work lying, drew close to each other, and sat cheek by cheek - when his
mother, pointing toward his room, said, "Shut that door now, Grete," and he was
left again in darkness, while next door the women mingled their tears or perhaps sat
dry-eyed, staring at the table.
|
3.6
|
Die Nächte und Tage
verbrachte Gregor fast ganz ohne Schlaf. Manchmal dachte er daran, beim
nächsten Öffnen der Tür die Angelegenheiten der Familie ganz so wie
früher wieder in die Hand zu nehmen; in seinen Gedanken erschienen
wieder nach langer Zeit der Chef und der Prokurist, die Kommis und die
Lehrjungen, der so begriffsstützige Hausknecht, zwei drei Freunde aus
anderen Geschäften, ein Stubenmädchen aus einem Hotel in der Provinz,
eine liebe, flüchtige Erinnerung, eine Kassiererin aus einem Hutgeschäft,
um die er sich ernsthaft, aber zu langsam beworben hatte – sie alle
erschienen untermischt mit Fremden oder schon Vergessenen, aber statt
ihm und seiner Familie zu helfen, waren sie sämtlich unzugänglich, und
er war froh, wenn sie verschwanden. Dann aber war er wieder gar nicht in
der Laune, sich um seine Familie zu sorgen, bloß Wut über die
schlechte Wartung erfüllte ihn, und trotzdem er sich nichts vorstellen
konnte, worauf er Appetit gehabt hätte, machte er doch Pläne, wie er
in die Speisekammer gelangen könnte, um dort zu nehmen, was ihm, auch
wenn er keinen Hunger hatte, immerhin gebührte. Ohne jetzt mehr
nachzudenken, womit man Gregor einen besonderen Gefallen machen könnte,
schob die Schwester eiligst, ehe sie morgens und mittags ins Geschäft
lief, mit dem Fuß irgendeine beliebige Speise in Gregors Zimmer hinein,
um sie am Abend, gleichgültig dagegen, ob die Speise vielleicht nur
verkostet oder – der häufigste Fall – gänzlich unberührt war, mit
einem Schwenken des Besens hinauszukehren. Das Aufräumen des Zimmers,
das sie nun immer abends besorgte, konnte gar nicht mehr schneller getan
sein. Schmutzstreifen zogen sich die Wände entlang, hie und da lagen Knäuel
von Staub und Unrat. In der ersten Zeit stellte sich Gregor bei der
Ankunft der Schwester in derartige besonders bezeichnende Winkel, um ihr
durch diese Stellung gewissermaßen einen Vorwurf zu machen. Aber er hätte
wohl wochenlang dort bleiben können, ohne daß sich die Schwester
gebessert hätte; sie sah ja den Schmutz genau so wie er, aber sie hatte
sich eben entschlossen, ihn zu lassen. Dabei wachte sie mit einer an ihr
ganz neuen Empfindlichkeit, die überhaupt die ganze Familie ergriffen
hatte, darüber, daß das Aufräumen von Gregors Zimmer ihr vorbehalten
blieb. Einmal hatte die Mutter Gregors Zimmer einer großen Reinigung
unterzogen, die ihr nur nach Verbrauch einiger Kübel Wasser gelungen
war – die viele Feuchtigkeit kränkte allerdings Gregor auch und er
lag breit, verbittert und unbeweglich auf dem Kanapee –, aber die
Strafe blieb für die Mutter nicht aus. Denn kaum hatte am Abend die
Schwester die Veränderung in Gregors Zimmer bemerkt, als sie, aufs höchste
beleidigt, ins Wohnzimmer lief und, trotz der beschwörend erhobenen Hände
der Mutter, in einen Weinkrampf ausbrach, dem die Eltern – der Vater
war natürlich aus seinem Sessel aufgeschreckt worden – zuerst
erstaunt und hilflos zusahen, bis auch sie sich zu rühren anfingen; der
Vater rechts der Mutter Vorwürfe machte, daß sie Gregors Zimmer nicht
der Schwester zur Reinigung überließ; links dagegen die Schwester
anschrie, sie werde niemals mehr Gregors Zimmer reinigen dürfen; während
die Mutter den Vater, der sich vor Erregung nicht mehr kannte, ins
Schlafzimmer zu schleppen suchte; die Schwester, von Schluchzen geschüttelt,
mit ihren kleinen Fäusten den Tisch bearbeitete; und Gregor laut vor
Wut darüber zischte, daß es keinem einfiel, die Tür zu schließen und
ihm diesen Anblick und Lärm zu ersparen.
|
Gregor hardly slept at all now, night or day. He was often haunted by the idea that
the next time the door opened he would take the family's affairs in hand again just as he
used to do; once again after this long interval, there appeared in his thoughts the
figures of the boss and the chief clerk, the salesmen and the apprentices, the messenger
boy who was so dull-witted, two or three friends in other firms, a chambermaid in one of
the rural hotels, a sweet and fleeting memory, a cashier in a milliner's shop, whom he had
courted earnestly but too slowly - they all appeared, together with strangers or people
he had quite forgotten, but instead of helping him and his family they were all
inaccessible and he was glad when they vanished. At other times he would not be in the
mood to bother about his family, he was only filled with rage at the way they were
neglecting him, and although although he could not imagine what he might like to eat he
would make plans for getting into the pantry to take the food that, after all, was due
him, hungry or not. His sister no longer gave a second thought now to what might
especially please him, but in the morning and at noon before she went to work hurriedly
pushed into his room with her foot any food that was available, and in the evening cleared
it out again with one sweep of the broom, heedless of whether it had been nibbled at,
or - as most frequently happened - left completely untouched. The cleaning of
his room, which she now always did in the evenings, could not have been done more hastily.
Streaks of dirt were smeared along the walls, here and there lay balls of dust and filth.
At first Gregor used to station himself in some particularly filthy corner when his sister
arrived in order to reproach her with it, so to speak. But he could have sat there for
weeks without getting her to make any improvement; she could see the dirt as well as he
did, but she had simply made up her mind to leave it alone. And yet, with a touchiness
that was new to her, and which seemed, moreover, to have infected the whole family, she
jealously guarded her claim to be the sole caretaker of Gregor's room. His mother once
subjected his room to a thorough cleaning, which was achieved only by means of several
buckets of water - all this dampness of course upset Gregor too and he lay stretched
out, sulky and motionless on the sofa - but she was well punished for it. Hardly had
his sister noticed the changed aspect of his room that eve-ning than she rushed mortally
offended into the living room and, despite the imploringly raised hands of her mother,
burst into a storm of weeping, while her parents - her father had of course been
startled out of his chair - looked on at first in helpless amazement; then they too
began to go into action; the father reproached the mother on his right for not having left
the cleaning of Gregor's room to his sister; shrieked at the sister on his left that never
again would she be allowed to clean Gregor's room; while the mother tried to drag the
father into his bedroom since he was beside himself with agitation; the sister, shaken
with sobs, then beat upon the table with her small fists; and Gregor hissed loudly with
rage because not one of them thought of shutting the door to spare him such a spectacle
and so much noise.
|
3.7
|
Aber selbst wenn die
Schwester, erschöpft von ihrer Berufsarbeit, dessen überdrüssig
geworden war, für Gregor, wie früher, zu sorgen, so hätte noch
keineswegs die Mutter für sie eintreten müssen und Gregor hätte doch
nicht vernachlässigt werden brauchen. Denn nun war die Bedienerin da.
Diese alte Witwe, die in ihrem langen Leben mit Hilfe ihres starken
Knochenbaues das Ärgste überstanden haben mochte, hatte keinen
eigentlichen Abscheu vor Gregor. Ohne irgendwie neugierig zu sein, hatte
sie zufällig einmal die Tür von Gregors Zimmer aufgemacht und war im
Anblick Gregors, der, gänzlich überrascht, trotzdem ihn niemand jagte,
hin und herzulaufen begann, die Hände im Schoß gefaltet staunend
stehen geblieben. Seitdem versäumte sie nicht, stets flüchtig morgens
und abends die Tür ein wenig zu öffnen und zu Gregor hineinzuschauen.
Anfangs rief sie ihn auch zu sich herbei, mit Worten, die sie
wahrscheinlich für freundlich hielt, wie "Komm mal herüber, alter
Mistkäfer!" oder "Seht mal den alten Mistkäfer!" Auf
solche Ansprachen antwortete Gregor mit nichts, sondern blieb
unbeweglich auf seinem Platz, als sei die Tür gar nicht geöffnet
worden. Hätte man doch dieser Bedienerin, statt sie nach ihrer Laune
ihn nutzlos stören zu lassen, lieber den Befehl gegeben, sein Zimmer täglich
zu reinigen! Einmal am frühen Morgen – ein heftiger Regen, vielleicht
schon ein Zeichen des kommenden Frühjahrs, schlug an die Scheiben –
war Gregor, als die Bedienerin mit ihren Redensarten wieder begann,
derartig erbittert, daß er, wie zum Angriff, allerdings langsam und
hinfällig, sich gegen sie wendete. Die Bedienerin aber, statt sich zu fürchten,
hob bloß einen in der Nähe der Tür befindlichen Stuhl hoch empor, und
wie sie mit groß geöffnetem Munde dastand, war ihre Absicht klar, den
Mund erst zu schließen, wenn der Sessel in ihrer Hand auf Gregors Rücken
niederschlagen würde. "Also weiter geht es nicht?" fragte
sie, als Gregor sich wieder umdrehte, und stellte den Sessel ruhig in
die Ecke zurück.
|
Still, even if the sister, exhausted by her daily work, had grown tired of looking after
Gregor as she formerly did, there was no need at all for his mother's intervention or for
Gregor's being neglected. The cleaning woman was there. This old widow, whose strong and
bony frame had enabled her to survive the worst a long life could offer, had no particular
aversion to Gregor. Without being in the least inquisitive she had once by chance opened
the door to his room and at the sight of Gregor, who, taken by surprise, began to rush to
and fro although no one was chasing him, merely stood there in amazement with her arms
folded. From that time on she never failed to open his door a little for a moment, morning
and evening, to have a look at him. At first she even used to call him to her, with words
which apparently she meant to be friendly, such as: "Come on over here, you old dung
beetle!" or "Will you look at that old dung beetle!" To such forms of
address Gregor made no answer, but stayed motionless where he was, as if the door had
never been opened. Instead of being allowed to disturb him so senselessly whenever the
whim took her, that servant should have been ordered instead to clean out his room daily.
Once, early in the morning - heavy rain was lashing at the windowpanes, perhaps a sign
that spring was on its way - Gregor was so exasperated when she began addressing him
again that he turned and went toward her as if to attack her, although slowly and feebly
enough. But the cleaning woman, instead of being afraid, merely picked up a chair that
happened to be beside the door, held it high, and as she stood there with her mouth wide
open it was clear that she meant to shut it only after she brought the chair down on
Gregor's back. "Not coming any closer, then?" she asked, as Gregor turned away
again, and quietly put the chair back into the corner.
|
3.8
|
Gregor aß nun fast gar
nichts mehr. Nur wenn er zufällig an der vorbereiteten Speise vorüberkam,
nahm er zum Spiel einen Bissen in den Mund, hielt ihn dort stundenlang
und spie ihn dann meist wieder aus. Zuerst dachte er, es sei die Trauer
über den Zustand seines Zimmers, die ihn vom Essen abhalte, aber gerade
mit den Veränderungen des Zimmers söhnte er sich sehr bald aus. Man
hatte sich angewöhnt, Dinge, die man anderswo nicht unterbringen
konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen, und solcher Dinge gab es nun
viele, da man ein Zimmer der Wohnung an drei Zimmerherren vermietet
hatte. Diese ernsten Herren – alle drei hatten Vollbärte, wie Gregor
einmal durch eine Türspalte feststellte – waren peinlich auf Ordnung,
nicht nur in ihrem Zimmer, sondern, da sie sich nun einmal hier
eingemietet hatten, in der ganzen Wirtschaft, also insbesondere in der Küche,
bedacht. Unnützen oder gar schmutzigen Kram ertrugen sie nicht. Überdies
hatten sie zum größten Teil ihre eigenen Einrichtungsstücke
mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge überflüssig geworden,
die zwar nicht verkäuflich waren, die man aber auch nicht wegwerfen
wollte. Alle diese wanderten in Gregors Zimmer. Ebenso auch die
Aschenkiste und die Abfallkiste aus der Küche. Was nur im Augenblick
unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer sehr eilig
hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah glücklicherweise meist nur
den betreffenden Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die Bedienerin
hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit und Gelegenheit die Dinge wieder
zu holen oder alle insgesamt mit einemmal hinauszuwerfen, tatsächlich
aber blieben sie dort liegen, wohin sie durch den ersten Wurf gekommen
waren, wenn nicht Gregor sich durch das Rumpelzeug wand und es in
Bewegung brachte, zuerst gezwungen, weil kein sonstiger Platz zum
Kriechen frei war, später aber mit wachsendem Vergnügen, obwohl er
nach solchen Wanderungen, zum Sterben müde und traurig, wieder
stundenlang sich nicht rührte.
|
Gregor was now eating hardly anything. Only when he happened to pass the food laid
out for him did he take a bit of something in his mouth as a kind of game, kept it there
for hours at a time, and usually spat it out again. At first he thought it was chagrin
over the state of his room that prevented him from eating, yet in fact he very quickly got
used to the various changes in his room. It had become a habit in the family to put things
into his room for which there was no space elsewhere, and there were plenty of these
things now, since one of the rooms had been rented to three boarders. These serious
gentlemen - all three of them with full beards, as Gregor once observed through a crack
in the door - had a passion for order, not only in their own room but, since they were
now members of the household, in all its arrangements, especially in the kitchen. They
could not endure useless, let alone dirty, clutter. Besides, they had brought with them
most of the furnishings they needed. For this reason many things could be dispensed with
that it was no use trying to sell but that should not be thrown away either. All of them
found their way into Gregor's room. The ash can likewise and the kitchen garbage can.
Anything that was not needed for the moment was simply flung into Gregor's room by the
cleaning woman, who did everything in a hurry; fortunately Gregor usually saw only the
object, whatever it was, and the hand that held it. Perhaps she intended to take the
things away again as time and opportunity offered, or to collect them until she could
throw them all out in a heap, but in fact they just lay wherever she happened to throw
them, except when Gregor pushed his way through the junk heap and arranged it somewhat, at
first out of necessity because he had no room to crawl around in, but later with
increasing enjoyment, although after such excursions, being sad and weary to death, he
would lie motionless for hours.
|
3.9
|
Da die Zimmerherren
manchmal auch ihr Abendessen zu Hause im gemeinsamen Wohnzimmer
einnahmen, blieb die Wohnzimmertür an manchen Abenden geschlossen, aber
Gregor verzichtete ganz leicht auf das öffnen der Tür, hatte er doch
schon manche Abende, an denen sie geöffnet war, nicht ausgenützt,
sondern war, ohne daß es die Familie merkte, im dunkelsten Winkel
seines Zimmers gelegen. Einmal aber hatte die Bedienerin die Tür zum
Wohnzimmer ein wenig offen gelassen, und sie blieb so offen, auch als
die Zimmerherren am Abend eintraten und Licht gemacht wurde. Sie setzten
sich oben an den Tisch, wo in früheren Zeiten der Vater, die Mutter und
Gregor gegessen hatten, entfalteten die Servietten und nahmen Messer und
Gabel in die Hand. Sofort erschien in der Tür die Mutter mit einer Schüssel
Fleisch und knapp hinter ihr die Schwester mit einer Schüssel
hochgeschichteter Kartoffeln. Das Essen dampfte mit starkem Rauch. Die
Zimmerherren beugten sich über die vor sie hingestellten Schüsseln,
als wollten sie sie vor dem Essen prüfen, und tatsächlich zerschnitt
der, welcher in der Mitte saß und den anderen zwei als Autorität zu
gelten schien, ein Stück Fleisch noch auf der Schüssel, offenbar um
festzustellen, ob es mürbe genug sei und ob es nicht etwa in die Küche
zurückgeschickt werden solle. Er war befriedigt, und Mutter und
Schwester, die gespannt zugesehen hatten, begannen aufatmend zu lächeln.
|
Since the boarders often ate their supper at home in the common living room, the
living-room door stayed shut many an evening, yet Gregor reconciled himself quite easily
to the shutting of the door, for often enough on evenings when it was opened he had
disregarded it entirely and lain in the darkest corner of his room, quite unnoticed by the
family. On one occasion the cleaning woman had left the door open a little and it stayed
ajar even when the lodgers came in for supper and the lamp was lit. They sat down at the
upper end of the table where formerly Gregor and his father and mother had eaten their
meals, unfolded their napkins and took knife and fork in hand. At once his mother appeared
in the doorway with a platter of meat and close behind her his sister with a bowl of
potatoes piled high. The food steamed with a thick vapor. The boarders bent over the food
set before them as if to scrutinize it before eating; in fact, the man in the middle, who
seemed to pass for an authority with the other two, cut a piece of meat as it lay on the
platter, obviously to determine if it was tender enough or should be sent back to the
kitchen. He was satisfied, and Gregor's mother and sister, who had been watching
anxiously, breathed a sigh of relief and began to smile.
|
3.10
|
Die Familie
selbst aß
in der Küche. Trotzdem kam der Vater, ehe er in die Küche ging, in
dieses Zimmer herein und machte mit einer einzigen Verbeugung, die Kappe
in der Hand, einen Rundgang um den Tisch. Die Zimmerherren erhoben sich
sämtlich und murmelten etwas in ihre Bärte. Als sie dann allein waren,
aßen sie fast unter vollkommenem Stillschweigen. Sonderbar schien es
Gregor, daß man aus allen mannigfachen Geräuschen des Essens immer
wieder ihre kauenden Zähne heraushörte, als ob damit Gregor gezeigt
werden sollte, daß man Zähne brauche, um zu essen, und daß man auch
mit den schönsten zahnlosen Kiefern nichts ausrichten könne. "Ich
habe ja Appetit", sagte sich Gregor sorgenvoll, "aber nicht
auf diese Dinge. Wie sich diese Zimmerherren nähren, und ich komme um!
"
|
The family itself took its meals in the kitchen. Nonetheless, Gregor's father came
into the living room before going to the kitchen and with one prolonged bow, cap in hand,
made a round of the table. The boarders all stood up and muttered something in their
beards. When they were alone again they ate their food in almost complete silence. It
seemed remarkable to Gregor that among the various noises coming from the table he could
always distinguish the sound of their chewing teeth, as if this were a sign to Gregor that
one needed teeth in order to eat, and that even with the finest of toothless jaws one
could do nothing. "I'm certainly hungry," said Gregor sadly to himself,
"but not for that kind of food. How these boarders are stuffing themselves, and here
am I dying of starvation!"
|
3.11
|
Gerade an diesem Abend
– Gregor erinnerte sich nicht, während der ganzen Zeit die Violine
gehört zu haben – ertönte sie von der Küche her. Die Zimmerherren
hatten schon ihr Nachtmahl beendet, der mittlere hatte eine Zeitung
hervorgezogen, den zwei anderen je ein Blatt gegeben, und nun lasen sie
zurückgelehnt und rauchten. Als die Violine zu spielen begann, wurden
sie aufmerksam, erhoben sich und gingen auf den Fußspitzen zur
Vorzimmertür, in der sie aneinandergedrängt stehen blieben. Man mußte
sie von der Küche aus gehört haben, denn der Vater rief: "Ist den
Herren das Spiel vielleicht unangenehm? Es kann sofort eingestellt
werden." "Im Gegenteil", sagte der mittlere der Herren,
"möchte das Fräulein nicht zu uns hereinkommen und hier im Zimmer
spielen, wo es doch viel bequemer und gemütlicher ist?" "0
bitte", rief der Vater, als sei er der Violinspieler. Die Herren
traten ins Zimmer zurück und warteten. Bald kam der Vater mit dem
Notenpult, die Mutter mit den Noten und die Schwester mit der Violine.
Die Schwester bereitete alles ruhig zum Spiele vor; die Eltern, die
niemals früher Zimmer vermietet hatten und deshalb die Höflichkeit
gegen die Zimmerherren übertrieben, wagten gar nicht, sich auf ihre
eigenen Sessel zu setzen; der Vater lehnte an der Tür, die rechte Hand
zwischen zwei Knöpfe des geschlossenen Livreerockes gesteckt; die
Mutter aber erhielt von einem Herrn einen Sessel angeboten und saß, da
sie den Sessel dort ließ, wohin ihn der Herr zufällig gestellt hatte,
abseits in einem Winkel.
|
On that very evening - during all this time Gregor could not remember ever
having heard the violin - the sound of violin playing came from the kitchen. The
boarders had already finished their supper, the one in the middle had brought out a
newspaper and given the other two a page apiece, and now they were leaning back at ease
reading and smoking. When the violin began to play they pricked up their ears, got to
their feet, and went on tiptoe to the hall door where they stood huddled together. Their
movements must have been heard in the kitchen, for Gregor's father called out:
"Is the violin playing disturbing you, gentlemen? It can be stopped at once."
"On the contrary," said the middle boarder, "wouldn't the young lady like
to join us here and play where it is much more pleasant and comfortable?" "Oh
certainly," cried Gregor's father, as if he were the violin player. The boarders
returned to the living room and waited. Soon Gregor's father arrived with the music stand,
his mother carrying the music and his sister with the violin. His sister calmly made
everything ready to start playing; his parents, who had never let rooms before and so had
an exaggerated idea of the courtesy due to boarders, did not venture to sit down on their
own chairs; his father leaned against the door, his right hand thrust between two buttons
of his uniform jacket, which was formally buttoned up; but his mother was offered a chair
by one of the boarders and, since she left the chair just where he had happened to put it,
sat down in a corner off to one side.
|
3.12
|
Die Schwester begann zu
spielen; Vater und Mutter verfolgten, jeder von seiner Seite, aufmerksam
die Bewegungen ihrer Hände. Gregor hatte, von dem Spiele angezogen,
sich ein wenig weiter vorgewagt und war schon mit dem Kopf im
Wohnzimmer. Er wunderte sich kaum darüber, daß er in letzter Zeit so
wenig Rücksicht auf die andern nahm; früher war diese Rücksichtnahme
sein Stolz gewesen. Und dabei hätte er gerade jetzt mehr Grund gehabt,
sich zu verstecken, denn infolge des Staubes, der in seinem Zimmer überall
lag und bei der kleinsten Bewegung umherflog, war auch er ganz
staubbedeckt; Fäden, Haare, Speiseüberreste schleppte er auf seinem Rücken
und an den Seiten mit sich herum; seine Gleichgültigkeit gegen alles
war viel zu groß, als daß er sich, wie früher mehrmals während des
Tages, auf den Rücken gelegt und am Teppich gescheuert hätte. Und
trotz dieses Zustandes hatte er keine Scheu, ein Stück auf dem
makellosen Fußboden des Wohnzimmers vorzurücken.
|
Gregor's sister began to play; the father and mother, from either side, intently
watched the movements of her hands. Gregor, attracted by the playing, ventured to move
forward a little until his head was actually inside the living room. He felt hardly any
surprise at his growing lack of consideration for the others; there had been a time when
he prided himself on being considerate. Yet on this occasion he had more reason than ever
to hide himself, since owing to the amount of dust that lay thick in his room and rose
into the air at the slightest movement, he too was covered with dust; fluff and hair and
remnants of food trailed with him, caught on his back and along his sides; his
indifference to everything was much too great for him to turn on his back and scrape
himself clean on the carpet, as once he had done several times a day. And in spite of his
condition, no shame deterred him from advancing a little over the spotless floor of the
living room.
|
3.13
|
Allerdings achtete auch
niemand auf ihn. Die Familie war gänzlich vom Violinspiel in Anspruch
genommen; die Zimmerherren dagegen, die zunächst, die Hände in den
Hosentaschen, viel zu nahe hinter dem Notenpult der Schwester sich
aufgestellt hatten, so daß sie alle in die Noten hätten sehen können,
was sicher die Schwester stören mußte, zogen sich bald unter
halblauten Gesprächen mit gesenkten Köpfen zum Fenster zurück, wo
sie, vom Vater besorgt beobachtet, auch blieben. Es hatte nun wirklich
den überdeutlichen Anschein, als wären sie in ihrer Annahme, ein schönes
oder unterhaltendes Violinspiel zu hören, enttäuscht, hätten die
ganze Vorführung satt und ließen sich nur aus Höflichkeit noch in
ihrer Ruhe stören. Besonders die Art, wie sie alle aus Nase und Mund
den Rauch ihrer Zigarren in die Höhe bliesen, ließ auf große Nervosität
schließen. Und doch spielte die Schwester so schön. Ihr Gesicht war
zur Seite geneigt, prüfend und traurig folgten ihre Blicke den
Notenzeilen. Gregor kroch noch ein Stück vorwärts und hielt den Kopf
eng an den Boden, um möglicherweise ihren Blicken begegnen zu können.
War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff? Ihm war, als zeige sich ihm
der Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung. Er war entschlossen, bis
zur Schwester vorzudringen, sie am Rock zu zupfen und ihr dadurch
anzudeuten, sie möge doch mit ihrer Violine in sein Zimmer kommen, denn
niemand lohnte hier das Spiel so, wie er es lohnen wollte. Er wollte sie
nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte;
seine Schreckgestalt sollte ihm zum erstenmal nützlich werden; an allen
Türen seines Zimmers wollte er gleichzeitig sein und den Angreifern
entgegenfauchen; die Schwester aber sollte nicht gezwungen, sondern
freiwillig bei ihm bleiben; sie sollte neben ihm auf dem Kanapee sitzen,
das Ohr zu ihm herunterneigen, und er wollte ihr dann anvertrauen, daß
er die feste Absicht gehabt habe, sie auf das Konservatorium zu
schicken, und daß er dies, wenn nicht das Unglück dazwischen gekommen
wäre, vergangene Weihnachten – Weihnachten war doch wohl schon vorüber?
– allen gesagt hätte, ohne sich um irgendwelche Widerreden zu kümmern.
Nach dieser Erklärung würde die Schwester in Tränen der Rührung
ausbrechen, und Gregor würde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren
Hals küssen, den sie, seitdem sie ins Geschäft ging, frei ohne Band
oder Kragen trug.
|
To be sure, no one paid any attention to him. The family was entirely absorbed in
the violin playing; the boarders however, who at first had stationed themselves, hands in
pockets, much too close behind the music stand so that they could all have read the music,
something which must have bothered his sister, had soon retreated to the window, half
whispering with bowed heads, and stayed there while his father turned an anxious eye on
them. Indeed, they were making it more than obvious that they had been disappointed in
their expectation of hearing good or even entertaining violin playing, that they had had
more than enough of the performance, and that they were putting up with this disturbance
of their peace only out of courtesy. From the way they all kept blowing the smoke of their
cigars high in the air through nose and mouth one could divine their irritation. And yet
Gregor's sister was playing so beautifully. Her face tilted to one side, intently and
sadly her eyes followed the notes of music. Gregor crawled a little farther forward and
lowered his head to the ground so that it might be possible for his eyes to meet hers. Was
he an animal, since music so moved him? He felt as if the way were opening before him to
the unknown nourishment he craved. He was determined to push forward until he reached his
sister, to pull at her skirt and so let her know that she should come into his room with
her violin, for no one here appreciated her playing as he would appreciate it. He would
never let her out of his room, at least not so long as he lived; his frightful appearance
would become, for the first time, useful to him; he would watch over all the doors of his
room at once and hiss like a dragon at any intruders; but his sister would not be forced
to stay, she would stay with him of her own free will; she would sit beside him on the
sofa, bend down her ear to him, and hear him confide that he had had the firm intention of
sending her to the Conservatory and that, but for his mishap last Christmas - surely
Christmas was long past? - he would have announced it to everybody without allowing a
single objection. After this declaration his sister would be so touched that she would
burst into tears, and Gregor would then raise himself to her shoulder and kiss her on the
neck, which, now that she was a young working woman, she kept free of any ribbon or
collar.
|
3.14
|
"Herr Samsa!
" rief der mittlere Herr dem Vater zu und zeigte, ohne ein weiteres
Wort zu verlieren, mit dem Zeigefinger auf den langsam sich vorwärtsbewegenden
Gregor. Die Violine verstummte, der mittlere Zimmerherr lächelte erst
einmal kopfschüttelnd seinen Freunden zu und sah dann wieder auf Gregor
hin. Der Vater schien es für nötiger zu halten, statt Gregor zu
vertreiben, vorerst die Zimmerherren zu beruhigen, trotzdem diese gar
nicht aufgeregt waren und Gregor sie mehr als das Violinspiel zu
unterhalten schien. Er eilte zu ihnen und suchte sie mit ausgebreiteten
Armen in ihr Zimmer zu drängen und gleichzeitig mit seinem Körper
ihnen den Ausblick auf Gregor zu nehmen. Sie wurden nun tatsächlich ein
wenig böse, man wußte nicht mehr, ob über das Benehmen des Vaters
oder über die ihnen jetzt aufgehende Erkenntnis, ohne es zu wissen,
einen solchen Zimmernachbar wie Gregor besessen zu haben. Sie verlangten
vom Vater Erklärungen, hoben ihrerseits die Arme, zupften unruhig an
ihren Bärten und wichen nur langsam gegen ihr Zimmer zurück.
Inzwischen hatte die Schwester die Verlorenheit, in die sie nach dem plötzlich
abgebrochenen Spiel verfallen war, überwunden, hatte sich, nachdem sie
eine Zeit lang in den lässig hängenden Händen Violine und Bogen
gehalten und weiter, als spiele sie noch, in die Noten gesehen hatte,
mit einem Male aufgerafft, hatte das Instrument auf den Schoß der
Mutter gelegt, die in Atembeschwerden mit heftig arbeitenden Lungen noch
auf ihrem Sessel saß, und war in das Nebenzimmer gelaufen, dem sich die
Zimmerherren unter dem Drängen des Vaters schon schneller näherten.
Man sah, wie unter den geübten Händen der Schwester die Decken und
Polster in den Betten in die Höhe flogen und sich ordneten. Noch ehe
die Herren das Zimmer erreicht hatten, war sie mit dem Aufbetten fertig
und schlüpfte heraus. Der Vater schien wieder von seinem Eigensinn
derartig ergriffen, daß er jeden Respekt vergaß, den er seinen Mietern
immerhin schuldete. Er drängte nur und drängte, bis schon in der Tür
des Zimmers der mittlere der Herren donnernd mit dem Fuß aufstampfte
und dadurch den Vater zum Stehen brachte. "Ich erkläre
hiermit", sagte er, hob die Hand und suchte mit den Blicken auch
die Mutter und die Schwester, "daß ich mit Rücksicht auf die in
dieser Wohnung und Familie herrschenden widerlichen Verhältnisse"
– hiebei spie er kurz entschlossen auf den Boden – "mein Zimmer
augenblicklich kündige. Ich werde natürlich auch für die Tage, die
ich hier gewohnt habe, nicht das Geringste bezahlen, dagegen werde ich
es mir noch überlegen, ob ich nicht mit irgendwelchen – glauben Sie
mir – sehr leicht zu begründenden Forderungen gegen Sie auftreten
werde. " Er schwieg und sah gerade vor sich hin, als erwarte er
etwas. Tatsächlich fielen sofort seine zwei Freunde mit den Worten ein:
"Auch wir kündigen augenblicklich. " Darauf faßte er die Türklinke
und schloß mit einem Krach die Tür.
|
Mr. Samsa!" cried the middle boarder to Gregor's father, and pointed,
without wasting any more words, at Gregor, now working himself slowly forward. The violin
fell silent, the middle boarder first smiled to his friends with a shake of the head and
then looked at Gregor again. Instead of driving Gregor out, his father seemed to think it
more important to begin by soothing down the boarders, although they were not at all
agitated and apparently found Gregor more entertaining than the violin playing. He hurried
toward them and, spreading out his arms, tried to urge them back into their own room and
at the same time to block their view of Gregor. They now began to be really a little
angry, one could not tell whether because of the old man's behavior or because it had just
dawned on them that without knowing it they had such a neighbor as Gregor in the next
room. They demanded explanations of his father, they waved their arms like him, tugged
uneasily at their beards, and only with reluctance backed toward their room. Meanwhile
Gregor's sister, who stood there as if lost when her playing was so abruptly broken off,
came to life again, pulled herself together all at once after standing for a while holding
violin and bow in her slack and drooping hands and staring at her music, pushed her violin
into the lap of her mother, who was still sitting in her chair fighting asthmatically for
breath, and ran into the boarders' room, to which they were now being shepherded by her
father rather more quickly than before. One could see the pillows and blankets on the beds
flying about under her practiced fingers and being laid in order. Even before the boarders
had actually reached their room she had finished making the beds and slipped out. The father seemed once more to be so possessed by his mulish self-assertiveness
that he was forgetting all the respect he owed his boarders. He kept driving them on and
driving them on until, at the very door of the bedroom, the middle boarder stamped his
foot loudly on the floor and so brought him to a halt. "I herewith declare,"
said the boarder, lifting one hand and looking also at Gregor's mother and sister,
"that because of the disgusting conditions prevailing in this household and
family" - here he spat on the floor with emphatic brevity - "I give you
notice on the spot. Naturally I won't pay you a penny for the days I have lived here, on
the contrary I shall consider suing you for damages, based on claims - believe
me - that will be easily substantiated." He ceased and stared straight ahead, as
if he were expecting something. In fact, his two friends at once rushed into the breach
with these words: "And we too give notice on the spot." At that he seized the
door handle and shut the door with a slam.
|
3.15
|
Der Vater wankte mit
tastenden Händen zu seinem Sessel und ließ sich in ihn fallen; es sah
aus, als strecke er sich zu seinem gewöhnlichen Abendschläfchen, aber
das starke Nicken seines wie haltlosen Kopfes zeigte, daß er ganz und
gar nicht schlief. Gregor war die ganze Zeit still auf dem Platz
gelegen, auf dem ihn die Zimmerherren ertappt hatten. Die Enttäuschung
über das Mißlingen seines Planes, vielleicht aber auch die durch das
viele Hungern verursachte Schwäche machten es ihm unmöglich, sich zu
bewegen. Er fürchtete mit einer gewissen Bestimmtheit schon für den nächsten
Augenblick einen allgemeinen über ihn sich entladenden Zusammensturz
und wartete. Nicht einmal die Violine schreckte ihn auf, die, unter den
zitternden Fingern der Mutter hervor, ihr vom Schoße fiel und einen
hallenden Ton von sich gab.
|
Gregor's father, groping with his hands, staggered forward and fell into his chair;
it looked as if he were stretching himself out there for his usual evening nap, but the
powerful and uncontrolled jerking of his head showed that he was far from asleep. Gregor
had simply stayed quietly all the time on the spot where the boarders had caught sight of
him. Disappointment at the failure of his plan, perhaps also the weakness arising from
extreme hunger, made it impossible for him to move. He feared, with a fair degree of
certainty, that at any moment the general tension would discharge itself in a combined
attack upon him, and he lay there waiting. He did not react even to the noise made by the
violin as it fell off his mother's lap from under her trembling fingers and gave out a
resonant sound.
|
3.16
|
"Liebe
Eltern", sagte die Schwester und schlug zur Einleitung mit der Hand
auf den Tisch, "so geht es nicht weiter. Wenn ihr das vielleicht
nicht einsehet, ich sehe es ein. Ich will vor diesem Untier nicht den
Namen meines Bruders aussprechen, und sage daher bloß: wir müssen
versuchen, es loszuwerden. Wir haben das Menschenmögliche versucht, es
zu pflegen und zu dulden, ich glaube, es kann uns niemand den geringsten
Vorwurf machen. "
|
"My dear parents," said his sister, slapping her hand on the table by way
of introduction "things can't go on like this. Perhaps you don't realize that, but I
do. I won't utter my brother's name in the presence of this creature, and so all I say is:
we must try to get rid of it. We've tried to look after it and to put up with it as far as
is humanly possible, and I don't think anyone could reproach us in the slightest."
|
3.17
|
"Sie hat
tausendmal Recht", sagte der Vater für sich. Die Mutter, die noch
immer nicht genug Atem finden konnte, fing in die vorgehaltene Hand mit
einem irrsinnigen Ausdruck der Augen dumpf zu husten an.
|
"She is absolutely right," said Gregor's father to himself. His mother,
who was still choking for lack of breath, began to cough hollowly into her hand with a
wild look in her eyes.
|
3.18
|
Die Schwester
eilte zur
Mutter und hielt ihr die Stirn. Der Vater schien durch die Worte der
Schwester auf bestimmtere Gedanken gebracht zu sein, hatte sich aufrecht
gesetzt, spielte mit seiner Dienermütze zwischen den Tellern, die noch
vom Nachtmahl der Zimmerherren her auf dem Tische lagen, und sah
bisweilen auf den stillen Gregor hin.
|
His sister rushed over to her and held her forehead. His father's thoughts seemed
to have lost their vagueness at Grete's words, he sat more upright, fingering his service
cap, which lay among the plates still on the table from the boarders' supper, and from
time to time looked at the motionless form of Gregor.
|
3.19
|
"Wir müssen es loszuwerden suchen", sagte die Schwester nun ausschließlich zum
Vater, denn die Mutter hörte in ihrem Husten nichts, "es bringt
euch noch beide um, ich sehe es kommen. Wenn man schon so schwer
arbeiten muß, wie wir alle, kann man nicht noch zu Hause diese ewige Quälerei
ertragen. Ich kann es auch nicht mehr. " Und sie brach so heftig in
Weinen aus, daß ihre Tränen auf das Gesicht der Mutter niederflossen,
von dem sie sie mit mechanischen Handbewegungen wischte.
|
"We must try to get rid of it," his sister now said explicitly to her
father, since her mother was coughing too much to hear a word, "it will be the death
of both of you, I can see that coming. When one has to work as hard as we do, all of us,
one can't stand this continual torment at home on top of it. At least I can't stand it any
longer." And she burst into such a fit of sobbing that her tears dropped onto her
mother's face, from which she wiped them with mechanical flicks of her hand.
|
3.20
|
"Kind", sagte
der Vater mitleidig und mit auffallendem Verständnis, "was sollen
wir aber tun?"
|
"My child," said the old man sympathetically and with evident
understanding, "but what should we do?"
|
3.21
|
Die Schwester zuckte
nur die Achseln zum Zeichen der Ratlosigkeit, die sie nun während des
Weinens im Gegensatz zu ihrer früheren Sicherheit ergriffen hatte.
|
Gregor's sister merely shrugged her shoulders to indicate the feeling of
helplessness that, in contrast to her former confidence, had overtaken her during her
weeping fit.
|
3.22
|
"Wenn er uns verstünde", sagte der Vater halb fragend; die Schwester
schüttelte aus dem Weinen heraus heftig die Hand zum Zeichen, daß daran nicht zu denken
sei.
|
"If only he could understand us," said her father, half questioningly;
Grete, still sobbing, vehemently waved a hand to show how unthinkable that was.
|
3.23
|
"Wenn er uns verstünde", wiederholte der Vater und nahm durch Schließen der
Augen die Überzeugung der Schwester von der Unmöglichkeit dessen in sich auf,
"dann wäre vielleicht ein Übereinkommen mit ihm möglich. Aber so – "
|
"If he could understand us," repeated the old man, shutting his eyes to
consider his daughter's conviction that un-derstanding was impossible, "then
perhaps we might come to some agreement with him. But as it is . . "
|
3.24
|
Weg muß es", rief die Schwester, "das ist das einzige Mittel, Vater. Du mußt
bloß den Gedanken loszuwerden suchen, daß es Gregor ist. Daß wir es solange geglaubt
haben, das ist ja unser eigentliches Unglück. Aber wie kann es denn Gregor sein? Wenn
es Gregor wäre, er hätte längst eingesehen, daß ein Zusammenleben von Menschen mit
einem solchen Tier nicht möglich ist, und wäre freiwillig fortgegangen. Wir hätten dann
keinen Bruder, aber könnten weiter leben und sein Andenken in Ehren halten. So aber
verfolgt uns dieses Tier, vertreibt die Zimmerherren, will offenbar die ganze Wohnung
einnehmen und uns auf der Gasse übernachten lassen. Sieh nur, Vater", schrie sie
plötzlich auf, "er fängt schon wieder an! " Und in einem für Gregor gänzlich
unverständlichen Schrecken verließ die Schwester sogar die Mutter, stieß sich förmlich
von ihrem Sessel ab, als wollte sie lieber die Mutter opfern, als in Gregors Nähe
bleiben, und eilte hinter den Vater, der, lediglich durch ihr Benehmen erregt, auch
aufstand und die Arme wie zum Schutze der Schwester vor ihr halb erhob.
|
He must go," cried Gregor's sister, "that's the only solution, Father. You
must just try to get rid of the idea that this is Gregor. The fact that we've believed
it for so long is the root of all our misfortune. But how can it be Gregor? If this
were Gregor, he would have realized long ago that human beings can't live with such a
creature, and he'd have gone away of his own accord. We wouldn't have any brother then,
but we'd be able to go on living and keep his memory in honor. As it is, this creature
persecutes us, drives away our boarders, obviously wants the whole apartment to
himself, and would have us all sleep in the gutter. Look, Father," she suddenly
shrieked, "he's at it again!" And in a state of panic that was quite
incomprehensible to Gregor she even left her mother's side, literally thrusting the
chair from her as if she would rather sacrifice her mother than be anywhere near
Gregor, and rushed behind her father, who also stood up, upset by her behavior, and
half spread his arms out as if to protect her.
|
3.25
|
Aber Gregor fiel es doch gar nicht ein, irgend jemandem und gar seiner Schwester Angst
machen zu wollen. Er hatte bloß angefangen sich umzudrehen, um in sein Zimmer
zurückzuwandern, und das nahm sich allerdings auffallend aus, da er infolge seines
leidenden Zustandes bei den schwierigen Umdrehungen mit seinem Kopfe nachhelfen mußte,
den er hierbei viele Male hob und gegen den Boden schlug. Er hielt inne und sah sich
um. Seine gute Absicht schien erkannt worden zu sein; es war nur ein augenblicklicher
Schrecken gewesen. Nun sahen ihn alle schweigend und traurig an. Die Mutter lag, die
Beine ausgestreckt und aneinandergedrückt, in ihrem Sessel, die Augen fielen ihr vor
Ermattung fast zu; der Vater und die Schwester saßen nebeneinander, die Schwester hatte
ihre Hand um des Vaters Hals gelegt.
|
Yet Gregor hadn't the slightest intention of frightening anyone, least of all his
sister. He had only begun to turn around in order to crawl back to his room, but it was
certainly a startling operation to see, since because of his disabled condition he
could not execute the difficult turning movements except by lifting his head and then
bracing it against the floor over and over again. He paused and looked around. His good
intentions seemed to have been recognized; the alarm had only been momentary. Now they
were all watching him in melancholy silence. His mother lay in her chair, her legs
stiffly outstretched and pressed together, her eyes almost closing from sheer
exhaustion; his father and his sister were sitting beside each other, his sister's arm
around the father's neck.
|
3.26
|
"Nun darf ich mich schon vielleicht umdrehen", dachte Gregor und begann seine
Arbeit wieder. Er konnte das Schnaufen der Anstrengung nicht unterdrücken und mußte
auch hie und da ausruhen. Im übrigen drängte ihn auch niemand, es war alles ihm selbst
überlassen. Als er die Umdrehung vollendet hatte, fing er sofort an, geradeaus
zurückzuwandern. Er staunte über die große Entfernung, die ihn von seinem Zimmer
trennte, und begriff gar nicht, wie er bei seiner Schwäche vor kurzer Zeit den gleichen
Weg, fast ohne es zu merken, zurückgelegt hatte. Immerfort nur auf rasches Kriechen
bedacht, achtete er kaum darauf, daß kein Wort, kein Ausruf seiner Familie ihn störte.
Erst als er schon in der Tür war, wendete er den Kopf, nicht vollständig, denn er
fühlte den Hals steif werden, immerhin sah er noch, daß sich hinter ihm nichts
verändert hatte, nur die Schwester war aufgestanden. Sein letzter Blick streifte die
Mutter, die nun völlig eingeschlafen war.
|
Now perhaps they'll let me go on turning around, thought Gregor, and began his labors
again. He could not stop himself from panting with the effort, and had to pause now and
then to take a breath. Nor was anyone rushing him, he was left entirely to himself.
When he had completed the turn, he began at once to crawl straight back. He was amazed
at the distance separating him from his room and could not understand how in his weak
state he had managed to accomplish the same journey so recently, almost without
noticing it. Intent on crawling as fast as possible he hardly realized that not a
single word, not one exclamation from his family, interfered with his progress. Only
when he was already in the doorway did he turn his head around, not completely, for his
neck muscles were getting stiff, but enough to see that nothing had changed behind him
except that his sister had risen to her feet. His last glance fell on his mother, who
was now sound asleep.
|
3.27
|
Kaum war er innerhalb seines Zimmers, wurde die Tür eiligst zugedrückt, festgeriegelt
und versperrt. Über den plötzlichen Lärm hinter sich erschrak Gregor so, daß ihm die
Beinchen einknickten. Es war die Schwester, die sich so beeilt hatte. Aufrecht war sie
schon da gestanden und hatte gewartet, leichtfüßig war sie dann vorwärtsgesprungen,
Gregor hatte sie gar nicht kommen hören, und ein "Endlich! " rief sie den
Eltern zu, während sie den Schlüssel im Schloß umdrehte.
|
Hardly was he inside his room when the door was hast-ily pushed shut, bolted, and
locked. The sudden noise be-hind him startled him so much that his little legs
collapsed beneath him. It was his sister who had shown such haste. She had been
standing ready, waiting, and had made a light spring forward, Gregor had not even heard
her coming, and she cried "At last!" to her parents as she turned the key in
the lock.
|
3.27
|
"Und jetzt?" fragte sich Gregor und sah sich im Dunkeln um. Er machte bald
die Entdeckung, daß er sich nun überhaupt nicht mehr rühren konnte. Er wunderte sich
darüber nicht, eher kam es ihm unnatürlich vor, daß er sich bis jetzt tatsächlich mit
diesen dünnen Beinchen hatte fortbewegen können. Im übrigen fühlte er sich
verhältnismäßig behaglich. Er hatte zwar Schmerzen im ganzen Leib, aber ihm war, als
würden sie allmählich schwächer und schwächer und würden schließlich ganz vergehen. Den
verfaulten Apfel in seinem Rücken und die entzündete Umgebung, die ganz von weichem
Staub bedeckt waren, spürte er schon kaum. An seine Familie dachte er mit Rührung und
Liebe zurück. Seine Meinung darüber, daß er verschwinden müsse, war womöglich noch
entschiedener, als die seiner Schwester. In diesem Zustand leeren und friedlichen
Nachdenkens blieb er, bis die Turmuhr die dritte Morgenstunde schlug. Den Anfang des
allgemeinen Hellerwerdens draußen vor dem Fenster erlebte er noch. Dann sank sein Kopf
ohne seinen Willen gänzlich nieder, und aus seinen Nüstern strömte sein letzter Atem
schwach hervor.
|
"And now?" Gregor asked himself, looking around in the darkness. Soon he made
the discovery that he was now completely unable to move. This did not surprise him,
rather it seemed unnatural that he should ever actually have been able to move at all
on these feeble little legs. Otherwise he felt relatively comfortable. True, his whole
body was aching, but it seemed that the pain was gradually growing less and would
finally pass away. The rotting apple in his back and the inflamed area around it, all
covered with soft dust, already hardly troubled him. He thought of his family with
tenderness and love. The conviction that he must disappear was one that he held even
more strongly than his sister, if that were possible. In this state of empty and
peaceful meditation he remained until the tower clock struck three in the morning. The
first broadening of light in the world outside the window just entered his
consciousness. Then his head sank to the floor of its own accord and from his nostrils
came the last faint flicker of his breath.
|
3.28
|
Als am frühen Morgen die Bedienerin kam – vor lauter Kraft und Eile schlug sie, wie oft
man sie auch schon gebeten hatte, das zu vermeiden, alle Türen derartig zu, daß in der
ganzen Wohnung von ihrem Kommen an kein ruhiger Schlaf mehr möglich war –, fand sie bei
ihrem gewöhnlichen kurzen Besuch an Gregor zuerst nichts Besonderes. Sie dachte, er
liege absichtlich so unbeweglich da und spiele den Beleidigten; sie traute ihm allen
möglichen Verstand zu. Weil sie zufällig den langen Besen in der Hand hielt, suchte sie
mit ihm Gregor von der Tür aus zu kitzeln. Als sich auch da kein Erfolg zeigte, wurde
sie ärgerlich und stieß ein wenig in Gregor hinein, und erst als sie ihn ohne jeden
Widerstand von seinem Platze geschoben hatte, wurde sie aufmerksam. Als sie bald den
wahren Sachverhalt erkannte, machte sie große Augen, pfiff vor sich hin, hielt sich
aber nicht lange auf, sondern riß die Tür des Schlafzimmers auf und rief mit lauter
Stimme in das Dunkel hinein: "Sehen Sie nur mal an, es ist krepiert; da liegt es,
ganz und gar krepiert! "
|
When the cleaning woman arrived early in the morning out of sheer strength and
impatience she slammed all the doors so loudly, regardless of how often she had been
begged not to do so, that no one in the whole apartment could enjoy any quiet sleep after
her arrival - she noticed nothing unusual as she took her customary peek into
Gregor's room. She thought he was lying motionless on pur-pose, pretending to be in a
sulk; she credited him with every kind of intelligence. Since she happened to have the
long-handled broom in her hand she tried to tickle him with it from the doorway. When that
too produced no reaction she felt provoked and poked at him a little harder, and only when
she had pushed him along the floor without meeting any resistance was her attention
aroused. Soon the truth of the matter dawned on her, her eyes widened, she let out a
whistle, yet did not waste much time over it but tore open the door of the Samsas'
bedroom and yelled into the darkness at the top of her voice: "Come look at this,
it's dead; it's lying there, dead as a doornail!"
|
3.29
|
Das Ehepaar Samsa saß im Ehebett aufrecht da und hatte zu tun, den Schrecken über die
Bedienerin zu verwinden, ehe es dazu kam, ihre Meldung aufzufassen. Dann aber stiegen
Herr und Frau Samsa, jeder auf seiner Seite, eiligst aus dem Bett, Herr Samsa warf die
Decke über seine Schultern, Frau Samsa kam nur im Nachthemd hervor; so traten sie in
Gregors Zimmer. Inzwischen hatte sich auch die Tür des Wohnzimmers geöffnet, in dem
Grete seit dem Einzug der Zimmerherren schlief; sie war völlig angezogen, als hätte sie
gar nicht geschlafen, auch ihr bleiches Gesicht schien das zu beweisen.
"Tot?" sagte Frau Samsa und sah fragend zur Bedienerin auf, trotzdem sie doch
alles selbst prüfen und sogar ohne Prüfung erkennen konnte. "Das will ich
meinen", sagte die Bedienerin und stieß zum Beweis Gregors Leiche mit dem Besen
noch ein großes Stück seitwärts. Frau Samsa machte eine Bewegung, als wolle sie den
Besen zurückhalten, tat es aber nicht. "Nun", sagte Herr Samsa, "jetzt
können wir Gott danken. " Er bekreuzte sich, und die drei Frauen folgten seinem
Beispiel. Grete, die kein Auge von der Leiche wendete, sagte: "Seht nur, wie mager
er war. Er hat ja auch schon so lange Zeit nichts gegessen. So wie die Speisen
hereinkamen, sind sie wieder hinausgekommen. " Tatsächlich war Gregors Körper
vollständig flach und trocken, man erkannte das eigentlich erst jetzt, da er nicht mehr
von den Beinchen gehoben war und auch sonst nichts den Blick ablenkte.
|
Mr. and Mrs. Samsa sat bolt upright in their double bed and had some difficulty getting
over the shock before they realized the nature of the cleaning woman's announcement.
But then they got out of bed quickly, one on either side, Mr. Samsa throwing a blanket
over his shoulders, Mrs. Samsa in nothing but her nightgown; in this array they entered
Gregor's room. Meanwhile the door of the living room opened, too, where Grete had been
sleeping since the arrival of the boarders; she was completely dressed, as if she had
not been to bed, which seemed to be confirmed also by the paleness of her face.
"Dead?" said Mrs. Samsa, looking questioningly at the cleaning woman,
although she could have investigated for herself, indeed the fact was obvious enough
without investigation. "I should say so," said the cleaning woman, and to
prove it she pushed Gregor's corpse a long way to one side with her broomstick; Mrs.
Samsa made a movement as if to stop her, but checked herself. "Well," said
Mr. Samsa, "now thanks be to God." He crossed himself, and the three women
followed his example. Grete, whose eyes never left the corpse, said: "Just see how
thin he was. It's such a long time since he ate anything at all. The food came out
again just as it went in." Indeed, Gregor's body was completely flat and dry, as
could only now be seen when it was no longer supported by the legs and nothing
prevented one from looking closely at it.
|
3.30
|
"Komm, Grete, auf ein Weilchen zu uns herein", sagte Frau Samsa mit einem
wehmütigen Lächeln, und Grete ging, nicht ohne nach der Leiche zurückzusehen, hinter
den Eltern in das Schlafzimmer. Die Bedienerin schloß die Tür und öffnete gänzlich das
Fenster. Trotz des frühen Morgens war der frischen Luft schon etwas Lauigkeit
beigemischt. Es war eben schon Ende März.
|
"Come into our room, Grete, for a little while," said Mrs. Samsa with a
tremulous smile, and Grete, not without looking hack at the corpse, followed her
parents into their bedroom. The cleaning woman shut the door and opened the window
wide. Although it was still early in the morning a certain softness was perceptible in
the fresh air. After all, it was already the end of March.
|
3.31
|
Aus ihrem Zimmer traten die drei Zimmerherren und sahen sich erstaunt nach ihrem
Frühstück um; man hatte sie vergessen. "Wo ist das Frühstück?" fragte der
mittlere der Herren mürrisch die Bedienerin. Diese aber legte den Finger an den Mund
und winkte dann hastig und schweigend den Herren zu, sie möchten in Gregors Zimmer
kommen. Sie kamen auch und standen dann, die Hände in den Taschen ihrer etwas
abgenützten Röckchen, in dem nun schon ganz hellen Zimmer um Gregors Leiche herum.
|
The three boarders emerged from their room and were surprised to see no breakfast; they
had been forgotten. "Where's our breakfast?" said the middle boarder
peevishly to the cleaning woman. But she put her finger to her lips and hastily,
without a word, indicated by gestures that they should follow her into Gregor's room.
They did so and stood, their hands in the pockets of their somewhat shabby coats around
Gregor's corpse in the room where it was now fully light
|
3.32
|
Da öffnete sich die Tür des Schlafzimmers, und Herr Samsa erschien in seiner Livree an
einem Arm seine Frau, am anderen seine Tochter. Alle waren ein wenig verweint; Grete
drückte bisweilen ihr Gesicht an den Arm des Vaters.
|
At that the door of the Samsas' bedroom opened and Mr. Samsa appeared in his uniform,
his wife on one arm, his daughter on the other. They all looked a little as if they had
been crying; from time to time Grete pressed her face against her father's arm.
|
3.33
|
"Verlassen Sie sofort meine Wohnung!" sagte Herr Samsa und zeigte auf die
Tür, ohne die Frauen von sich zu lassen. "Wie meinen Sie das?" sagte der
mittlere der Herren etwas bestürzt und lächelte süßlich. Die zwei anderen hielten die
Hände auf dem Rücken und rieben sie ununterbrochen aneinander, wie in freudiger
Erwartung eines großen Streites, der aber für sie günstig ausfallen mußte. "Ich
meine es genau so, wie ich es sage", antwortete Herr Samsa und ging in einer Linie
mit seinen zwei Begleiterinnen auf den Zimmerherrn zu. Dieser stand zuerst still da und
sah zu Boden, als ob sich die Dinge in seinem Kopf zu einer neuen Ordnung
zusammenstellten. "Dann gehen wir also", sagte er dann und sah zu Herrn Samsa
auf, als verlange er in einer plötzlich ihn überkommenden Demut sogar für diesen
Entschluß eine neue Genehmigung. Herr Samsa nickte ihm bloß mehrmals kurz mit großen
Augen zu. Daraufhin ging der Herr tatsächlich sofort mit langen Schritten ins
Vorzimmer; seine beiden Freunde hatten schon ein Weilchen lang mit ganz ruhigen Händen
aufgehorcht und hüpften ihm jetzt geradezu nach, wie in Angst, Herr Samsa könnte vor
ihnen ins Vorzimmer eintreten und die Verbindung mit ihrem Führer stören. Im Vorzimmer
nahmen alle drei die Hüte vom Kleiderrechen, zogen ihre Stöcke aus dem Stockbehälter,
verbeugten sich stumm und verließen die Wohnung. In einem, wie sich zeigte, gänzlich
unbegründeten Mißtrauen trat Herr Samsa mit den zwei Frauen auf den Vorplatz hinaus; an
das Geländer gelehnt, sahen sie zu, wie die drei Herren zwar langsam, aber ständig die
lange Treppe hinunterstiegen, in jedem Stockwerk in einer bestimmten Biegung des
Treppenhauses verschwanden und nach ein paar Augenblicken wieder hervorkamen; je tiefer
sie gelangten, desto mehr verlor sich das Interesse der Familie Samsa für sie, und als
ihnen entgegen und dann hoch über sie hinweg ein Fleischergeselle mit der Trage auf dem
Kopf in stolzer Haltung heraufstieg, verließ bald Herr Samsa mit den Frauen das
Geländer, und alle kehrten, wie erleichtert, in ihre Wohnung zurück.
|
quot;Leave my home at once!" said Mr. Samsa, and pointed to the door without
disengaging himself from the women. "What do you mean by that?" said the
middle boarder, taken somewhat aback, with a feeble smile. The two others put their
hands behind their backs and kept rubbing them together, as if in gleeful expectation
of a big fight in which they were bound to come out the winners. "I mean just what
I say," answered Mr. Samsa, and advanced in a straight line with his two
companions toward the boarder. He stood his ground quietly at first, looking at the
floor as if his thoughts were forming a new pattern in his head. "Well, let's go
then," he said, and looked up at Mr. Samsa as if in a sudden access of humility he
were asking his approval even for this decision. Mr. Samsa merely nodded at him briefly
once or twice with wide-open eyes. Thereupon the boarder actually did go with long
strides into the front hall; his two friends had been listening and by now had stopped
rubbing their hands together and went scuttling after him as if afraid that Mr. Samsa
might get into the hall before them and cut them off from their leader. In the hall all
three took their hats from the rack, their sticks from the umbrella stand, bowed in
silence, and left the apartment. With a suspiciousness that proved quite unfounded Mr.
Samsa and the two women followed them out to the landing; leaning over the banister
they watched the three figures slowly but surely going down the long stairs, vanishing
from sight at a certain turn of the staircase on every floor and coming into view again
after a moment or so; the more they dwindled, the more the Samsa family's interest in
them dwindled, and when a butcher's boy met them and passed them on the stairs coming
up proudly with a tray on his head, Mr. Samsa and the two women soon left the landing
and as if a burden had been lifted from them went back into their apartment.
|
3.34
|
Sie beschlossen, den heutigen Tag zum Ausruhen und Spazierengehen zu verwenden; sie
hatten diese Arbeitsunterbrechung nicht nur verdient, sie brauchten sie sogar
unbedingt. Und so setzten sie sich zum Tisch und schrieben drei Entschuldigungsbriefe,
Herr Samsa an seine Direktion, Frau Samsa an ihren Auftraggeber, und Grete an ihren
Prinzipal. Während des Schreibens kam die Bedienerin herein, um zu sagen, daß sie
fortgehe, denn ihre Morgenarbeit war beendet. Die drei Schreibenden nickten zuerst
bloß, ohne aufzuschauen, erst als die Bedienerin sich immer noch nicht entfernen
wollte, sah man ärgerlich auf. "Nun?" fragte Herr Samsa. Die Bedienerin stand
lächelnd in der Tür, als habe sie der Familie ein großes Glück zu melden, werde es aber
nur dann tun, wenn sie gründlich ausgefragt werde. Die fast aufrechte kleine
Straußfeder auf ihrem Hut, über die sich Herr Samsa schon während ihrer ganzen
Dienstzeit ärgerte, schwankte leicht nach allen Richtungen. "Also was wollen Sie
eigentlich?" fragte Frau Samsa, vor welcher die Bedienerin noch am meisten Respekt
hatte. "Ja", antwortete die Bedienerin und konnte vor freundlichem Lachen
nicht gleich weiter reden, "also darüber, wie das Zeug von nebenan weggeschafft
werden soll, müssen Sie sich keine Sorge machen. Es ist schon in Ordnung." Frau
Samsa und Grete beugten sich zu ihren Briefen nieder, als wollten sie weiterschreiben;
Herr Samsa, welcher merkte, daß die Bedienerin nun alles ausführlich zu beschreiben
anfangen wollte, wehrte dies mit ausgestreckter Hand entschieden ab. Da sie aber nicht
erzählen durfte, erinnerte sie sich an die große Eile, die sie hatte, rief offenbar
beleidigt: "Adjes allseits", drehte sich wild um und verließ unter
fürchterlichem Türezuschlagen die Wohnung.
|
They decided to spend this day in resting and going for a stroll; they had not only
deserved such a respite from work, but absolutely needed it. And so they sat down at
the table and wrote three notes of excuse, Mr. Samsa to his board of management, Mrs.
Samsa to her employer, and Grete to the head of her firm. While they were writing, the
cleaning woman came in to say that she was going now, since her morning's work was
finished. At first they only nodded without looking up, but as she kept hovering there
they eyed her irritably. "Well?" said Mr. Samsa. The cleaning woman stood
grinning in the doorway as if she had good news to impart to the family but meant not
to say a word unless properly questioned. The little ostrich feather standing upright
on her hat, which had annoyed Mr. Samsa ever since she had been hired, was waving gaily
in all directions. "Well, what is it then?" asked Mrs. Samsa, who obtained
more respect from the cleaning woman than the others. "Oh," said the cleaning
woman, so overcome by amiable laughter that she could not continue right away,
"just this: you don't need to worry about how to get rid of that thing in the next
room. It's been taken care of already." Mrs. Samsa and Grete bent over their
letters again, as if continuing to write; Mr. Samsa, who perceived that she was eager
to begin describing it all in detail, stopped her with a decisive gesture of his
outstretched hand. But since she was not allowed to tell her story, she remembered the
great hurry she was in, obviously deeply insulted: "Bye, everybody," she
said, whirling off violently, and departed with a frightful slamming of doors.
|
3.35
|
Abends wird sie entlassen", sagte Herr Samsa, bekam aber weder von seiner Frau,
noch von seiner Tochter eine Antwort, denn die Bedienerin schien ihre kaum gewonnene
Ruhe wieder gestört zu haben. Sie erhoben sich, gingen zum Fenster und blieben dort,
sich umschlungen haltend. Herr Samsa drehte sich in seinem Sessel nach ihnen um und
beobachtete sie still ein Weilchen. Dann rief er: "Also kommt doch her. Laßt schon
endlich die alten Sachen. Und nehmt auch ein wenig Rücksicht auf mich. " Gleich
folgten ihm die Frauen, eilten zu ihm, liebkosten ihn und beendeten rasch ihre Briefe.
|
"She'll be given notice tonight," said Mr. Samsa, but neither from his wife
nor his daughter did he get any answer, for the cleaning woman seemed to have shattered
again the composure they had barely achieved. They rose, went to the window and stayed
there, holding each other tight. Mr. Samsa turned in his chair to look at them and
quietly observed them for a while. Then he called out: "Come over here, you two.
Let bygones be bygones. And you might have a little consideration for me too." The
two of them complied at once, ran over to him, caressed him, and then quickly finished
their letters.
|
3.36
|
Dann verließen alle drei gemeinschaftlich die Wohnung, was sie schon seit Monaten nicht
getan hatten, und fuhren mit der Elektrischen ins Freie vor die Stadt. Der Wagen, in
dem sie allein saßen, war ganz von warmer Sonne durchschienen. Sie besprachen, bequem
auf ihren Sitzen zurückgelehnt, die Aussichten für die Zukunft, und es fand sich, daß
diese bei näherer Betrachtung durchaus nicht schlecht waren, denn aller drei
Anstellungen waren, worüber sie einander eigentlich noch gar nicht ausgefragt hatten,
überaus günstig und besonders für später vielversprechend. Die größte augenblickliche
Besserung der Lage mußte sich natürlich leicht durch einen Wohnungswechsel ergeben; sie
wollten nun eine kleinere und billigere, aber besser gelegene und überhaupt
praktischere Wohnung nehmen, als es die jetzige, noch von Gregor ausgesuchte war.
Während sie sich so unterhielten, fiel es Herrn und Frau Samsa im Anblick ihrer immer
lebhafter werdenden Tochter fast gleichzeitig ein, wie sie in der letzten Zeit trotz
aller Plage, die ihre Wangen bleich gemacht hatte, zu einem schönen und üppigen Mädchen
aufgeblüht war. Stiller werdend und fast unbewußt durch Blicke sich verständigend,
dachten sie daran, daß es nun Zeit sein werde, auch einen braven Mann für sie zu
suchen. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten,
als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper
dehnte.
|
Then all three left the apartment together, which was more than they had done for
months, and took the streetcar to the open country outside of town. The car, in which
they were the only passengers, was filled with warm sunshine. Leaning comfortably back
in their seats they talked over their prospects for the future, and it appeared on
closer inspection that these were not at all bad, for the jobs they had, which so far
they had never really discussed with each other, were all three quite promising and
likely to lead to better things later on. The greatest immediate improvement in their
situation would of course come from moving to another apartment; they wanted to take a
smaller and cheaper but also better situated and more practical apartment than the one
they had, which Gregor had selected. While they were thus conversing it struck both Mr.
and Mrs. Samsa, almost at the same moment, as they became aware of their daughter's
increasing vivacity, that in spite of all the sorrow of recent times, which had made
her cheeks pale, she had bloomed into a pretty girl with a good figure. They grew
quieter and half unconsciously exchanged glances of complete agreement, having both
come to the conclusion that it would soon be time to find a good husband for her. And
it was like a confirmation of their new dreams and excellent intentions that at the end
of their ride their daughter sprang to her feet first and stretched her young body.
|
3.37
|
|
Translated by Edwin and Willa Muir; revised by Arthur S. Wensinger. Copyright Schocken Books,
Inc.
|
|
|